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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Dienerschaft, die aus allen Völkern der Erde zusammengesetzt war. Man wußte kaum, was man in diesem Schauspiel des Stolzes und der irdischen Größe besonders betrachten sollte; und das Auge war geblendet vom Schimmer des Goldes, des Purpurs und Violetts, vom Blitzen der köstlichen Steine, vom Glanze des Brokats, der Perlen, des Elfenbeins. Man hätte glauben mögen, sogar die Strahlen der Sonne erlitten in diesem Meer von Glanz eine gewisse Einbuße. Im Gedränge fanden sich auch arme Leute, Leute mit leerem Magen und ausgehungertem Gesicht; wohl erfüllte sie dieses Schauspiel mit Verlangen nach Genuß und mit Neid, aber es erfüllte sie auch mit Entzücken und Stolz, weil es das Gefühl der Macht und Unüberwindlichkeit Roms erregte, wozu die Welt beitrug, wovor die Welt sich beugte. Es war in der Tat niemand auf Erden, der zu denken gewagt hätte, es könne diese Gewalt nicht alle Zeitalter überdauern, alle Nationen überleben, es könne etwas geben, das die Kraft in sich trüge, ihr zu widerstehen.
    Vinicius, der am Ende des Zuges fuhr, sprang beim Anblick des Apostels und Lygias, die er nicht zu sehen erwartet hatte, aus seinem Wagen. Leuchtenden Angesichts sie grüßend, sprach er eilig:
    „Bist du gekommen? Wie soll ich dir dafür danken, Lygia! Gott hätte mir kein besseres Omen senden können. Ich grüße dich, indem ich dir Lebewohl sage, aber nicht ein Lebewohl für lange Zeit. Ich werde sorgen, daß mir auf dieser Straße Pferde zum Wechseln zur Verfügung stehen, und will dich jeden freien Tag besuchen, bis ich zurückkehren darf. Lebe wohl!“
    „Lebe wohl, Marcus!“ antwortete Lygia, dann fügte sie mit leiserer Stimme hinzu:
    „Möge Christus mit dir sein und deine Seele den Worten des Paulus öffnen!“
    Er war tief gerührt, daß ihr auch jetzt sein baldiger Eintritt in die Christengemeinde so sehr am Herzen lag; daher antwortete er:
    „Ocelle mi! Es wird geschehen, wie du sagst. Paulus zieht es vor, an meinen Leuten zu arbeiten, aber er ist mit mir und wird mein Gefährte und Lehrer sein. Lüfte deinen Schleier, meine Liebe, und laß mich vor der Reise noch deine Züge schauen. Warum bist du so verhüllt?“
    Sie hob den Schleier, zeigte ihr heiteres Antlitz, ihre so freundlich blickenden Augen, und fragte:
    „Wirkt der Schleier so häßlich?“
    Und in ihrem Lächeln lag ein sanfter mädchenhafter Widerstand; aber Vinicius, der sie mit Entzücken betrachtete, erwiderte:
    „Unangenehm für meine Augen, die bis zum Tode nur auf dich blicken möchten.“
    Darauf wandte er sich zu Ursus und sagte:
    „Ursus, behüte sie wie das Licht deiner Augen; denn sie ist meine Domina so gut wie die deine.“
    Er ergriff ihre Hand und drückte sie an die Lippen zum großen Erstaunen der Menge, die solche Zeichen der Ehrfurcht eines glänzenden Höflings für ein Mädchen in einfacher Kleidung, fast der einer Sklavin, nicht begreifen konnte.
    „Lebe wohl!“
    Er entfernte sich jetzt rasch, weil des Cäsars Gefolge schon einen beträchtlichen Vorsprung gewonnen hatte. Petrus segnete ihn noch, indem er fast unmerklich das Kreuzzeichen über ihn machte; der gutmütige Ursus pries jetzt den Vinicius und freute sich darüber, daß seine junge Herrin aufmerksam zuhörte und ihm für dieses Lob dankbar war.
    Der Zug war bald durch eine Wolke golden schimmernden Staubes verhüllt; sie sahen ihm lange nach, bis Demas, der Müller, bei dem Ursus des Nachts arbeitete, sich näherte. Er küßte dem Apostel die Hand und bat ihn, bei ihm eine Erfrischung zu nehmen; seine Wohnung sei nahe dem Emporium, und sie müßten hungrig und müde sein, da sie den größten Teil des Tages am Tore zugebracht hätten.
    Sie gingen mit ihm und kehrten, nachdem sie in seinem Hause geruht und sich erquickt hatten, erst gegen Abend nach dem Stadtteil jenseits des Tibers zurück. Sie wollten den Strom auf der Ämilianischen Brücke überschreiten und gingen deshalb durch den Clivus Publicus über den Aventin zwischen den Tempeln der Diana und des Merkur. Von dieser Höhe aus sah der Apostel auf die ihn umgebenden und die in der Ferne verschwindenden Gebäude. In Schweigen versunken, erwog er die riesige Ausdehnung und gewaltige Macht dieser Stadt, der das Wort Gottes zu verkünden er gekommen war. Bisher hatte er wohl die Herrschaft Roms und seiner Legionen in den verschiedenen Ländern, die er durchreist hatte, schon gesehen; aber das waren nur vereinzelte Glieder jener Macht, die ihm heute zum erstenmal in der Gestalt Neros

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