Quo Vadis
Rückkehr durch die Sklaven zum Palatin gelangen, seine Aufmerksamkeit auf Dich lenken, eine Verfolgung veranlassen, weil Du gewagt hast, gegen des Cäsars Willen zu handeln. Er wird jedoch lange in Antium bleiben, und noch ehe er zurückkehrt, werden die Sklaven aufgehört haben, von Dir zu reden. Linus und Ursus können immer bei Dir sein. Überdies lebe ich in der Hoffnung, daß Du, meine Göttin, bevor noch der Palatin den Cäsar sieht, in Deinem eigenen Hause in den Carinae wohnst. Gesegnet sei der Tag, die Stunde, der Augenblick, wo Du meine Schwelle überschreitest; und wenn Christus, den ich in mein Herz aufzunehmen lerne, dies bewirkt, möge sein Name auch darum gepriesen sein. Ich werde ihm dienen und mein Leben und Blut für ihn hingeben. Ich drücke mich ungenau aus; wir werden ihm dienen, wir beide, solange der Faden unseres Lebens hält.
Ich liebe Dich und grüße Dich aus ganzer Seele.“
XXXIX
Ursus schöpfte Wasser aus einer Zisterne und sang dazu ein fremdartig klingendes lygisches Lied, während er mit Hilfe eines Seiles eine Amphora heraufzog; zufrieden lächelnd blickte er auf Lygia und Vinicius. Die Liebenden erschienen zwischen den Zypressen in Linus’ Garten wie zwei weiße Statuen. Kein Lüftchen bewegte ihre Gewänder. Goldene und lilienfarbene Dämmerung färbte den Himmel, indes sie in der Abendstille, die Hände ineinander gelegt, zärtlich plauderten.
„Wird dir nichts geschehen, Marcus, weil du ohne des Cäsars Wissen Antium verließt?“
„Nein, Geliebte“, erwiderte Vinicius. „Der Cäsar erklärte, sich zwei Tage lang mit Terpnos einschließen zu wollen, um neue Lieder zu dichten. Er tut das oft und denkt inzwischen an nichts anderes. Und wenn auch; was frage ich jetzt nach dem Cäsar, wo ich bei dir bin und dich sehen darf? Ich habe zu sehr danach geschmachtet und schlaflose Nächte durchwachen müssen. Oft, wenn ich vor Ermattung eingeschlummert war, fuhr ich plötzlich empor mit dem Gefühl, es drohe dir eine Gefahr. Einmal träumte mir, die Ablösungen von Pferden, die mich von Antium nach Rom tragen sollten, seien gestohlen worden – Pferde, die selbst die Kuriere des Cäsars überholen. Ich konnte es nicht länger aushalten fern von dir, Teuerste.“
„Ich wußte, du würdest kommen. Zweimal lief Ursus auf meine Bitte zu den Carinae und erkundigte sich in deinem Hause nach dir. Linus lachte mich aus, ebenso Ursus.“
Es war augenscheinlich, daß sie ihn erwartet hatte; denn statt des alltäglichen dunklen Gewandes trug sie eine weiche, lichtfarbene Stola, aus deren zierlichen Falten Kopf und Arme wie Primeln aus dem Schnee hervorragten. Einige Anemonen schmückten das Haar.
Vinicius preßte die Lippen auf ihre Hand; dann ließen sich beide auf einer von wilden Reben umrankten Steinbank nieder. Schweigend blickten sie in die Abendröte, deren letzte Strahlen vor ihren Augen verglühten. Der Zauber der Abendstimmung erfaßte sie.
„Wie still hier und wie schön die Welt!“ sagte Vinicius leise. „Die Nacht ist so wunderbar still. Ich fühle mich glücklicher als je. Sag mir, Lygia, woher kommt das? Niemals ahnte ich, daß es solche Liebe gibt. Ich hielt Liebe bloß für heißes Blut und Begierde und erkenne nun, daß man mit jedem Blutstropfen, jedem Atemzuge lieben und dabei solch unermeßlich süße Ruhe empfinden kann, als hätten Schlaf und Tod die Seele in Schlummer gewiegt. Ich begreife es nicht. Ich empfinde auch die Ruhe, die über diesen Bäumen schwebt, und mir ist, als sei sie in meinem Innern. Jetzt glaube ich an ein bisher unbekanntes Glück, jetzt verstehe ich deinen und Pomponias Seelenfrieden. Ja! Christus gibt ihn euch.“
Lygia lehnte ihr Haupt an seine Schulter, indes sie sprach:
„Mein teuerster Marcus …“
Sie kam nicht weiter. Wonne, Dankbarkeit und die Gewißheit, daß nichts mehr zwischen ihr und dem Geliebten stehe, raubten ihr die Stimme. Ihre Augen füllten sich mit Tränen des Glückes. Vinicius schlang seine Arme um die schlanke Gestalt und zog sie an sich.
„Lygia! Gesegnet sei die Stunde, wo ich zuerst Christi Namen hörte!“
„Ich liebe dich“, antwortete sie kaum hörbar.
Wieder blieben sie schweigsam; denn ihre vollen Herzen fanden keine Worte. Auf dem Garten lag jetzt der Silberglanz des Mondes. Nach einer Weile begann Vinicius:
„Ich weiß deine Gedanken. Kaum stand ich vor dir, kaum brannte mein Kuß auf deiner geliebten Hand, als ich schon in deinen Augen die Frage las, ob ich die göttliche Lehre, die du
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