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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Paulus.
    Petronius jedoch sagte: ‚Das taugt nicht für mich.‘ Müdigkeit vorschützend, entfernte er sich, indem er sprach: ‚Ich ziehe meine Eunike vor, kleiner Judäer, möchte jedoch nicht auf der Rednerbühne mit dir streiten.‘
    Mit ganzer Seele hatte ich Paulus zugehört, und als er auf unsere Frauen zu sprechen kam, segnete ich die Religion, die aus dir eine Lilie machte, wie solche der Frühling erstehen läßt. Ich sagte zu mir: Da ist Poppäa, die um Neros willen zwei Gatten verließ; da sind Calvia Crispinilla, Nigidia und fast alle mir bekannten, einzig Pomponia ausgenommen; sie treiben Handel mit Treue und Schwüren, meine aber wird mich nicht verlassen, nicht betrügen. Darum fragte ich mich: Wie soll ich Lygia dankbar sein, wenn nicht durch Liebe und Achtung? Ahntest du, daß ich in Antium Tag und Nacht mit dir sprach, als ständest du an meiner Seite? Daß du mir damals aus der Sänfte entflohst, macht dich mir tausendmal teurer. Der Cäsar kümmert mich nicht mehr; auf seinen Prunk und seine Musik verzichte ich und will nur dich besitzen. Befiehl, so verlassen wir Rom und lassen uns anderswo nieder.“
    Ohne das Haupt von seiner Brust zu entfernen, erhob Lygia sinnend die Augen zu den Zypressen und antwortete:
    „Es sei so, Marcus. Du schriebst von Sizilien, wo Aulus den Lebensabend zubringen will.“
    Freudig erregt unterbrach sie Vinicius.
    „Gewiß, mein Herz. Unsere Güter stoßen aneinander. Die Küste ist herrlich, das Klima milde, und die Nächte sind angenehmer als in Rom. Leben und Glück sind dort beinahe eins.“
    Und er begann von der Zukunft zu träumen.
    „Dort dürfen wir jede Furcht verbannen. Durch Haine und Olivenwälder wollen wir wandeln und im Schatten ausruhen. O Lygia! Welch ein Leben! Uns lieben, zusammen ins Meer hinaus-, zum Himmel hinaufblicken, zusammen nach seinen Geboten leben!“
    Beide schwiegen und schauten in die Zukunft. Er zog sie näher an sich, indes der Ring des Ritterstandes an seinem Finger im Mondschein glitzerte. Die Häuser, worin das arme, arbeitende Volk wohnte, waren in Schlaf versenkt; kein Geräusch unterbrach die Stille.
    „Wirst du mir erlauben, Pomponia zu besuchen?“
    „Ja, Geliebte. Wir werden sie zu uns einladen oder zu ihnen gehen. Wenn du wünschest, nehmen wir Petrus, den Apostel, zu uns. Jahre und Mühen haben ihn gebeugt. Paulus will uns auch besuchen und Aulus Plautius bekehren, und wie Krieger in fernen Ländern Kolonien gründen, so wollen wir eine Kolonie von Christen gründen.“
    Lygia ergriff seine Hand, um sie zu küssen, doch er flüsterte:
    „Nein, Lygia, nein! Ich bin’s, der dich verehrt; gib mir deine Hände.“
    „Ich liebe dich.“
    Sein Kuß brannte auf ihrer Hand. Eine Zeitlang hörten sie nichts als die eigenen pochenden Herzen. Kein Hauch bewegte die Luft; die Zypressen standen da, als ob auch sie den Atem anhielten.
    Plötzlich wurde die Stille unterbrochen. Tiefer, wie aus der Erde dringender Donner rollte durch die schweigende Nacht. Ein Schauer überflog Lygias Körper. Vinicius sprang empor und sagte:
    „Löwen brüllen im Vivarium.“
    Beide horchten. Dem ersten Donner antwortete ein zweiter, ein dritter, ein zehnter aus allen Richtungen und Stadtteilen. Mehrere tausend Löwen waren zuzeiten in den verschiedenen Arenen Roms gefangen. Häufig näherten sie sich nachts dem Gitter, lehnten die mächtigen Köpfe daran und brüllten ihre Sehnsucht nach Freiheit und nach der Wüste in die Nacht hinaus. So taten sie jetzt und erfüllten die ganze Stadt mit ihrem donnernden Gebrüll. Es lag etwas so Unheimliches in diesem Gebrüll, daß Lygia, deren lichte Träume von glückerfüllter Zukunft jäh abgebrochen waren, bangen, bebenden Herzens dastand.
    Doch Vinicius umschlang sie und sagte:
    „Fürchte nichts, Geliebte, die Spiele stehen bevor; alle Vivarien sind gefüllt.“
    Hierauf betraten beide das Haus des Linus, begleitet vom Gebrüll der Löwen, das immer lauter und lauter wurde.

XL
    In Antium gewann inzwischen Petronius fast täglich neue Siege über die anderen Augustianer, die mit ihm um die Gunst des Cäsars buhlten. Der Einfluß des Tigellinus war tief gesunken. In Rom, wo sich oft Gelegenheit bot, gefährlich scheinende Personen zu beseitigen und deren Eigentum zu plündern oder politische Angelegenheiten zu ordnen, Schauspiele zu geben, die durch ihren Luxus und verdorbenen Geschmack Staunen erregten, oder die ungeheuerlichen Launen des Cäsars zu befriedigen, war Tigellinus, der sich hierzu

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