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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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als ebenso geschickt wie skrupellos erwies, unentbehrlich. Aber in Antium, in den Palästen, die im Meeresblau sich widerspiegelten, führte Nero ein hellenisches Dasein. Vom Morgen bis zum Abend lasen er und seine Begleiter Verse, besprachen deren Bau und künstlerische Vollendung, beschäftigten sich mit Musik, Theater – mit einem Worte: nur mit dem, was griechisches Genie erfunden hatte und womit es das Leben verschönerte. Petronius übertraf an Bildung Tigellinus und alle übrigen Augustianer; er war beredt, besaß feinen Verstand und Geschmack und erfreute sich daher besonderer Gunst. Der Cäsar suchte seine Gesellschaft, hörte seine Meinung, fragte ihn bei seinen Kompositionen um Rat und erzeigte ihm eine lebhaftere Freundschaft als je. Es schien den Augustianern, daß des Petronius Einfluß den höchsten Triumph errungen habe und das innige Verhältnis zwischen ihm und dem Cäsar so fest geworden sei, daß es Jahre überdauern würde. Selbst solche, die dem erklärten Epikuräer ehedem ihre Abneigung nicht verborgen hatten, begannen jetzt, sich an ihn zu drängen und sich um seine Gunst zu bewerben. Viele waren sogar froh, daß das Übergewicht auf die Seite eines Mannes kam, der wußte, was er von ergebenen Personen zu halten habe, der mit skeptischem Lächeln die Schmeicheleien seiner Feinde von gestern entgegennahm und auch, entweder aus Lässigkeit oder um seines verfeinerten Geschmacks willen, keine Rache nahm und seine Macht nicht zum Schaden anderer gebrauchte. Zuweilen hätte er freilich Tigellinus am liebsten vernichtet; meistens aber war er geneigter, ihn dem Gespötte preiszugeben und seine Pöbelhaftigkeit, seinen Mangel an Bildung bloßzustellen. Der römische Senat atmete auf, denn seit ein und einem halben Monat war kein Todesurteil gefällt worden. Tatsächlich erzählte man sich in Antium und der Hauptstadt Wunder der Verfeinerung im Leben des Cäsars und seiner Favoriten, und jedermann zog den verfeinerten Cäsar dem in des Tigellinus Hand vertierten vor. Tigellinus aber verlor darüber keineswegs den Mut und überlegte, ob er als Besiegter nachgeben solle oder nicht. Der Cäsar hatte ihm zwar wiederholt gesagt, daß in ganz Rom und an seinem Hofe nur zwei Geister seien, die sich verstehen könnten, zwei wahre Hellenen, er und Petronius. Das überraschende Glück des Petronius bestärkte das Volk in der Meinung, daß sein Einfluß jeden anderen überdauern werde. Es konnte gar nicht denken, der Cäsar könne Petronius einmal entbehren – mit wem sonst konnte er Musik, Poesie und ähnliche höhere Dinge besprechen? In welch anderes Antlitz konnte er schauen, um sich zu überzeugen, daß seine Schöpfungen vollkommen seien? Petronius schien mit gewohnter Gleichgültigkeit seinem Siege keine Bedeutung beizumessen. Wie immer zeigte er sich schlaff, träge, skeptisch und witzig. Häufig machte er den Eindruck eines Mannes, der seine Umgebung, sich selber, den Cäsar, die ganze Welt verachtete. Manchmal wagte er es offen, den Cäsar zu tadeln; und glaubten dann die anderen, er sei zu weit gegangen und breche sich den Hals, so wendete er sich plötzlich auf eine Weise, die zu seinem Vorteil ausschlug. Dadurch erregte er die Bewunderung der eben Anwesenden und brachte sie zu der Überzeugung, als könne er aus keiner Lage anders als siegreich hervorgehen.
    Etwa eine Woche nach der Rückkehr des Vinicius aus Rom las der Cäsar im engen Kreise ein Stück seiner Trojade vor; nachdem er geendet und die Ausrufe des Entzückens sich gelegt hatten, antwortete Petronius auf seinen fragenden Blick:
    „Gewöhnliche Verse, gerade recht für das Feuer!“
    Die Anwesenden waren starr vor Schrecken. Seit den Jahren der Kindheit hatte Nero nie mehr ein solches Urteil von irgendeinem Menschen gehört. Das Gesicht des Tigellinus strahlte vor Vergnügen. Vinicius dagegen erbleichte; er war der Meinung, daß Petronius wohl zum erstenmal betrunken sei. Nero forschte mit honigsüßer Stimme, aus der jedoch die mehr oder weniger verletzte Eitelkeit klang:
    „Welchen Fehler findest du daran?“
    „Glaube den anderen nicht“, sagte Petronius, darauf eingehend, und fuhr fort: „Sie verstehen nichts. Du hast gefragt, welchen Fehler ich in deinen Versen finde. Willst du die Wahrheit, so höre sie! Deine Verse wären eines Ovid, Vergil, selbst eines Homer würdig, aber nicht deiner; du darfst nicht so schreiben. Der von dir geschilderte Brand leuchtet nicht genug; deinem Feuer fehlt es an Hitze. Höre nicht auf die

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