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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Schmeicheleien des Lucanus. Hätte er diese Verse verfaßt, so würde ich ihn anerkennen als ein Genie; bei dir liegt der Fall anders. Und weißt du, weshalb? Du bist größer als sie alle. Von dem, den die Götter so reich begabt haben wie dich, wird mehr verlangt. Aber du bist träge – du möchtest lieber nach dem Mittagsmahle schlafen als unebene Stellen feilen. Du kannst ein Werk schreiben, wie bis heute noch keins dagewesen; darum sage ich dir offen: Schreibe besser!“
    Er sprach dies sorglos, wie scherzend und zugleich tadelnd. Neros Augen waren feucht geworden vor Entzücken.
    „Die Götter haben mir etwas Talent verliehen“, sagte er, „und noch etwas haben sie mir gegeben, was mehr wert ist: einen wahren Kunstkenner und Freund haben sie mir gegeben, den einzigen Menschen, der fähig ist, mir offen die Wahrheit zu sagen.“
    Dann streckte er seine fette, mit roten Haaren bewachsene Hand nach einem goldenen, in Delphi geraubten Kandelaber aus, um die Verse zu verbrennen. Aber Petronius griff nach dem Papier, bevor die Flamme es berührte.
    „Nein, nein!“ sagte er. „Selbst diese gehören der Menschheit. Schenke sie mir!“
    „Gestatte wenigstens, daß ich sie dir in einem Gefäße nach eigenem Entwurf sende“, antwortete Nero, Petronius umarmend.
    „Richtig“, sagte er ein paar Minuten später. „Mein trojanischer Brand leuchtet nicht genug, meinem Feuer fehlt es an Hitze; allein ich hielt es für genügend, um Homer gleichzustehen. Eine gewisse Schüchternheit und geringe Meinung von meiner eigenen Kraft haben mich immer gelähmt. Du hast mir die Augen geöffnet. Weißt du aber, warum es so ist, wie du sagst? Wenn ein Bildhauer die Statue eines Gottes fertigen will, so sucht er sich ein Vorbild; ich aber habe zu meinen Versen nie eines gehabt. Nie sah ich eine brennende Stadt, darum fehlt es meiner Schilderung an Wahrheit.“
    „Nur einem großen Künstler kann sie gelingen.“
    Nero verfiel in Nachdenken und sagte dann:
    „Beantworte mir eine Frage, Petronius! Beklagst du den Brand Trojas?“
    „Ob ich ihn beklage? Beim hinkenden Gemahl der Venus, nicht im geringsten! Und ich nenne dir den Grund dafür: Troja wäre nicht von den Flammen verzehrt worden, hätte Prometheus den Menschen das Feuer vorenthalten. Gäbe es aber kein Feuer, so hätte Äschylos seinen Prometheus nicht geschrieben, hätten die Griechen Priamos nicht bekriegt; wäre der trojanische Krieg nicht gewesen, so besäßen wir Homers Ilias nicht. Offenbar hat es aber mehr Wert, den Prometheus und die Ilias zu besitzen als eine kleine, elende, jedenfalls unreinliche und unbedeutende Stadt, in der bestenfalls jetzt ein Prokurator dich belästigen könnte wegen der Streitigkeiten mit dem Areopag.“
    „Das heißt man vernünftig reden“, sagte Nero, „für Kunst und Poesie alles zu opfern ist erlaubt und recht. Glücklich waren die Achaier, die Homer den Stoff zu seiner Ilias lieferten, und glücklich war Priamos, der die Ruinen seiner Geburtsstätte beschauen konnte. Was mich betrifft, so habe ich nie eine brennende Stadt gesehen.“
    Schweigen trat ein; Tigellinus brach es endlich mit den Worten:
    „Ich habe dir schon gesagt, Cäsar, befiehl es, so will ich Antium anbrennen; oder weißt du etwas anderes? Willst du die hiesigen Villen und Paläste schonen, so gib Befehl, die Schiffe in Ostia anzuzünden; oder ich will auf den Albanerbergen eine hölzerne Stadt erbauen, in die du selbst das Feuer schleudern kannst. Willst du?“
    „Soll ich in den Brand hölzerner Schuppen starren?“ fragte Nero, ihn mit einem Blicke der Verachtung strafend. „Dein Geist ist äußerst unfruchtbar geworden, Tigellinus. Außerdem sehe ich, daß du wenig Wert auf mein Talent und meine Trojade legst, da du jedes Opfer für zu groß erachtest.“
    Tigellinus war verwirrt. Doch Nero schien dem Gespräch eine andere Wendung geben zu wollen und fügte bei:
    „Der Sommer naht. Oh, welch ein übler Geruch wird jetzt Rom erfüllen! Und doch müssen wir zu den Sommerspielen nach Rom zurückkehren.“
    „Wenn du deine Anhänger entläßt, o Cäsar, dann gestatte mir, einen Augenblick bei dir zurückzubleiben“, sagte Tigellinus.
    Eine Stunde später verließen Vinicius und Petronius die Villa des Cäsars, und ersterer sagte:
    „Ich war ein wenig besorgt um dich; denn ich glaubte, du würdest dich in der Trunkenheit rettungslos ins Verderben stürzen. Erinnere dich, daß du mit dem Tode spieltest!“
    „Das ist meine Arena“, antwortete Petronius

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