Quo Vadis
sorglos; „und das Gefühl, hierin der beste Gladiator zu sein, macht mir Vergnügen. Sieh nur, wie die Sache endete! Mein Einfluß ist diesen Abend gestiegen. Er wird mir seine Verse in einem Gefäße senden, das – ich wage zu wetten – unendlich reich und unendlich geschmacklos sein wird. Ich werde darin meines Arztes Heilmittel aufbewahren lassen. Auch noch aus einem anderen Grunde handelte ich so. Tigellinus, der den Erfolg davon sieht, wird mich sicherlich nachzuäffen suchen, und ich kann mir vorstellen, was geschehen wird. Will er mit einem Witze glänzen, so sieht er einem seiltanzenden Pyrenäenbären ähnlich. Ich werde dazu lachen wie Demokritos. Wenn ich wollte, könnte ich Tigellinus vernichten und an seiner Stelle Präfekt der Prätorianer werden; ich hätte dann den Feuerbart selbst in meinen Händen. Aber ich bin träge und ziehe mein gegenwärtiges Leben, selbst mit des Cäsars Versen, der Mühe vor.“
„Welche Geschicklichkeit, sogar Tadel in Schmeichelei zu verwandeln! Aber sind seine Verse wirklich so schlecht? Ich bin kein Sachverständiger.“
„Sie sind nicht schlechter als andere, aber Lucanus hat in einem Finger mehr Talent als der Feuerbart überhaupt. Nero besitzt indes eine außerordentliche Vorliebe für Poesie und Musik. In zwei Tagen sollen wir die in Musik gesetzte Hymne auf Aphrodite, die er heute oder morgen vollenden wird, zu hören bekommen. Wir werden einen kleinen Kreis bilden, nur ich, du, Tullius Senecio und der junge Nerva. Daß ich, wie ich sagte, nach dem Feste Neros Verse in ähnlicher Weise benutzen wollte wie Vitellius die Flamingofedern, ist nicht wahr. Zuweilen sind seine Verse beredt, Hekubas Worte sogar rührend. Sie beklagt sich über die Geburtswehen, und Nero vermochte glückliche Ausdrücke zu finden – deshalb vielleicht, weil er in Wehen seine Verse erzeugt. Manchmal tut er mir leid. Bei Pollux! Welch sonderbare Mischung! Nicht einmal Caligula erreichte diese Stufe des Wahnwitzes.“
„Wer kann vorhersehen, wozu die Verrücktheit den Feuerbart noch bringen wird?“ fragte Vinicius.
„Wahrlich niemand. Er kann Dinge vollbringen, daß spätere Jahrhunderte bei dem bloßen Gedanken daran noch schaudern. Aber gerade dies ist’s, was mich interessiert; und obwohl ich mich bei ihm langweile wie Jupiter Ammon in der Wüste, so glaube ich doch, daß dies bei einem anderen Cäsar noch hundertmal mehr der Fall wäre. Paulus, dein kleiner Judäer, ist beredt – ich gestehe das zu; und wenn Leute wie er jene Religion verkünden, müssen sich unsere Götter ernstlich verteidigen, wollen sie nicht eines Tages erledigt und vergessen sein. Es ist wahr, wenn der Cäsar ein Christ wäre, würde sich alles viel sicherer fühlen. Aber dein Prophet von Tarsus, der mich zu überzeugen suchte, dachte nicht, daß gerade die Unsicherheit meinem Leben einen Anreiz gibt. Wer dem Würfelspiel nicht ergeben ist, wird freilich sein Vermögen nicht verlieren können; dennoch spielen die Menschen. Es liegt ein gewisses Vergnügen in der Zerstörung des Besitzes. Ich kannte Söhne von Rittern und Senatoren, die aus freiem Willen Gladiatoren wurden. Du sagst, ich spiele mit dem Leben, und so ist’s; aber ich spiele, weil es mir gefällt, während die Tugenden der Christen mir nicht mehr Vergnügen machen würden wie die Abhandlungen des Seneca. Darum verschwendet Paulus seine Beredsamkeit umsonst. Er sollte verstehen, daß Menschen wie ich nie eine solche Religion annehmen. Du kannst, in deiner Gesinnung, den christlichen Namen hassen oder sofort ein Christ werden. Ahnend erkenne ich die Wahrheit dessen, was sie sagen. Wir sind wahnsinnig und eilen einem Abgrund zu; etwas Unbekanntes kommt uns aus der Zukunft entgegen, unter uns bricht etwas, um uns stirbt etwas – zugegeben! Trotzdem werden wir uns im Tode folgen; bis dahin wollen wir das Leben nicht als Bürde betrachten und nicht dem Tode dienen, ehe er uns faßt. Das Leben ist um seiner selbst willen, nicht um des Todes willen da.“
„Ich bedaure dich, Petronius.“
„Bedaure lieber dich selber als mich. Früher warst du froh mit uns, und während des Feldzuges nach Armenien sehntest du dich nach Rom.“
„Und auch jetzt sehne ich mich nach Rom.“
„Das ist wahr; denn du liebst eine christliche Vestalin jenseits des Tibers. Ich bin darüber weder verwundert, noch tadle ich dich. Mehr staune ich darüber, daß trotz dieser Religion, die du als eine Fülle von Glück beschriebst, und trotz dieser Liebe, die bald
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