Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
Vom Netzwerk:
dem Riesen bevorstand und ob er nicht dennoch kämpfen würde, wenn er Auge in Auge den Tod vor sich sähe.
    Und in der Tat brauchten sie nicht lange zu warten. Plötzlich ertönten schrille Trompetenstöße, worauf eines der Gitter sich auftat. In die Arena stürzte sich, unter dem Geschrei der Bestiarii, ein riesiger Auerochse aus Germanien, auf dem Rücken den entblößten Leib eines Weibes tragend.
    „Lygia! Lygia!“ schrie Vinicius auf.
    Die Haare sich raufend, wand er sich, als säße eine Lanzenspitze in seinem Leib, und wiederholte mit heiserer Stimme:
    „Ich glaube! Ich glaube! O Christus, ein Wunder!“
    Und er merkte es gar nicht, daß ihm Petronius das Gesicht mit der Toga verhüllte. Er sah nichts, er hörte nichts. Ein furchtbares Chaos schien ihn zu umgeben. Sein Geist verlor die Kraft zu denken, nur die Lippen wiederholten unbewußt:
    „Ich glaube! Ich glaube! Ich glaube!“
    Lautlose Stille war eingetreten, die Augustianer erhoben sich von den Sitzen. Ein nie gesehenes Schauspiel bot sich ihren Augen. Als der Lygier, ergeben und bereit zu sterben, seine Prinzessin auf dem wilden Tier erblickte, sprang er auf, wie von einer Sehne geschnellt, und rannte der rasenden Bestie entgegen.
    Ein allgemeiner Schrei der Bewunderung unterbrach das tiefe Schweigen, doch nur für einen Moment.
    Im Nu hatte der Lygier den Auerochsen erreicht und bei den Hörnern ergriffen.
    „Schau!“ rief Petronius, indem er Vinicius die Toga vom Gesicht zog.
    Vinicius sprang auf, bog das totenblasse Haupt rückwärts und blickte mit glasigen Augen auf die Arena.
    Keiner wagte zu atmen. Das Summen einer Fliege wäre gehört worden. Man traute den eigenen Augen nicht. Rom hatte nie dergleichen gesehen.
    Der Lygier hielt den Auerochsen bei den Hörnern. Seine Füße gruben sich bis an die Knöchel in den Sand, sein Rücken war gewölbt wie ein gespannter Bogen, sein Kopf lag tief zwischen den Schultern, seine Muskeln traten hervor, so daß die Haut unter ihrem Drucke zu bersten drohte. Aber der Stier war zum Stehen gebracht. Weder Mann noch Tier bewegten sich, so daß die Zuschauer eine Tat des Hercules oder Theseus als Gemälde oder als Marmorgruppe zu sehen vermeinten. Doch diese scheinbare Ruhe war der furchtbare Kampf zweier Kräfte. Die Hufe des Stieres versanken im Sande so gut wie die Füße seines Feindes; sein dunkler, zottiger Leib war zu einem Riesenball gekrümmt. Wer von den beiden zuerst nachgeben, zuerst fallen würde, das war die Frage, die den Geist aller Zuschauer beschäftigte, eine Frage, die in diesem Augenblick ihnen näher lag als ihr eigenes Schicksal, als ganz Rom und die Römerherrschaft. Dieser Lygier war in ihren Augen ein Halbgott, würdig, durch Statuen verewigt zu werden. Nero selber war aufgesprungen wie alle anderen. Nachdem ihm die Stärke dieses Mannes bekannt geworden war, hatten er und Tigellinus absichtlich dieses Schauspiel so angeordnet und höhnisch zueinander gesagt:
    „Jener Würger Krotons soll jetzt auch den Stier töten, den wir ihm auswählen.“
    Sprachlos vor Staunen, als ob sie ein Gemälde oder einen Traum sähen, starrten beide auf den Vorgang.
    Unter der Menge hielten viele die Arme emporgestreckt. Andere waren schweißbedeckt, als ob sie selber mit der Bestie im Kampfe wären. Im ganzen Zirkus war nichts zu hören als das Knistern der Licht spendenden Flammen. Die Stimme erstarb den Zuschauern auf den Lippen, ihre Herzen klopften zum Zerspringen. Es war ihnen, als dauere der Kampf stundenlang. Mann und Tier lagen immer noch im Kampfe; sie schienen angewurzelt zu sein.
    Ein dumpfes Brüllen drang endlich von der Arena herauf, das jeder Brust einen kurzen Schrei entriß. Dann war es wieder still. Man glaubte zu träumen, bis der ungeheure Kopf des Stieres unter den Eisenhänden des Barbaren sich zu drehen anfing. Gesicht, Nacken und Arme des Lygiers waren purpurrot, sein Rücken krümmte sich mehr und mehr. Es war ersichtlich, daß er seine letzte, übermenschliche Kraft aufbot, daß aber auch er es nicht lange mehr aushalten konnte.
    Dumpfer und dumpfer, heiserer und heiserer, immer stöhnender wurden die Laute des Stieres und vermischten sich mit dem pfeifenden Atem des Riesen. Der Kopf des Tieres drehte sich mehr und mehr. Aus seinem Rachen hing eine lange, schäumende Zunge heraus.
    Noch ein Augenblick verging, und die näher stehenden Zuschauer hörten etwas wie das Krachen von Knochen, dann stürzte der Stier mit gebrochenem Genick in den Sand.
    Im Nu entfernte der

Weitere Kostenlose Bücher