Quo Vadis
geöffnet wurden, so daß er darüber selbst das Bad vergaß. Doch dann wünschte er zu schlafen und wankte, von Müdigkeit überwältigt, seinem Hause an der Subura zu. Eine Sklavin, von Vinicius’ Geld gekauft, erwartete ihn.
In seinem Cubiculum, das fast so dunkel war wie die Höhle eines Fuchses, warf er sich auf sein Lager und schlief alsbald ein. Erst am Abend erwachte er wieder oder wurde vielmehr von der Sklavin geweckt, denn es hatte jemand eines dringenden Geschäftes wegen nach ihm verlangt.
Chilon kam sofort zu sich; er warf hastig seinen Mantel um, hieß die Sklavin beiseite treten und blickte vorsichtig hinaus. Der Schrecken machte ihn starr, denn vor der Tür des Schlafzimmers stand die riesige Gestalt des Ursus. Kopf und Füße wurden ihm bei diesem Anblick eiskalt, das Herz in seiner Brust hörte auf zu schlagen, und Schauer überliefen seinen Rücken.
Anfangs war er unfähig zu sprechen, dann aber sagte oder vielmehr stöhnte er unter Zähneklappern:
„Syra, ich bin nicht zu Hause, ich kenne den guten Mann nicht!“
„Ich sagte ihm, du wärest da, schliefest aber“, antwortete das Mädchen, „er ersuchte mich, dich zu wecken.“
„O Götter! Ich lasse dich …“
Aber Ursus wurde ungeduldig, näherte sich der Tür des Schlafzimmers und rief, den Kopf hineinbeugend:
„Chilon Chilonides!“
„Pax tecum! pax! pax!“ antwortete Chilon. „O bester aller Christen! Ja, ich bin Chilon, aber das ist ein Irrtum – ich kenne dich nicht!“
„Chilon Chilonides“, wiederholte Ursus, „dein Herr, Vinicius, läßt dich zu sich rufen.“
XXIII
Ein stechender Schmerz weckte Vinicius. Es dauerte geraume Zeit, bevor er zum Bewußtsein seiner Lage und dessen, was geschehen war, gelangte. Der Kopf brummte ihm; vor seinen Augen lag ein Nebel. Allmählich fand sich sein Gedächtnis zurecht, und er sah durch jenen Nebel drei über ihn gebeugte Gestalten. Zwei davon waren ihm bekannt; Ursus und der Alte, den er beim Raube Lygias umgeworfen hatte. Der dritte, der ihm gänzlich fremd war, hielt seinen linken Arm fest und betastete ihn vom Ellbogen zum Schulterblatt. Das verursachte Vinicius solchen Schmerz, daß er, im Glauben, man wolle dadurch eine Art Rache an ihm nehmen, zwischen den Zähnen hindurch zischte: „Töte mich!“ Doch man achtete nicht darauf, weil man ihn entweder nicht hörte oder seine Worte für gewöhnliche Schmerzensrufe hielt. Ursus mit seinem halb ängstlichen, halb drohenden Barbarengesicht hielt ein Stück Leinwand in den Händen, das zu langen Binden zerrissen war.
Der Alte sprach eben zu dem Mann, der den Arm untersuchte:
„Glaukos, bist du gewiß, daß die Kopfwunde nicht tödlich ist?“
„Ja, würdiger Crispus“, antwortete Glaukos. „Als Galeerensklave und später in Neapel habe ich manche Wunde geheilt und mit dem dadurch verdienten Gelde mich und meine Verwandten losgekauft. Die Kopfwunde ist ungefährlich. Als der da“ – wobei er mit dem Haupte auf Ursus zeigte – „dem jungen Manne das Mädchen entriß, schleuderte er ihn gegen die Mauer. Im Fallen streckte dieser den Arm aus, offenbar um sich zu schützen; er brach und verrenkte ihn, rettete aber sein Leben dadurch.“
„Du pflegst mehrere unserer Brüder und giltst als geschickter Arzt, deshalb ließ ich dich durch Ursus holen.“
„Ursus, der mir gestern auf der Straße gestand, daß er mich hatte töten wollen!“
„Er gestand mir seine Absicht früher als dir. Ich kenne dich und deine Liebe zu Christus und überzeugte ihn, daß nicht du der Verräter bist, sondern der Unbekannte, der ihn zum Mord treiben wollte.“
„Das war ein böser Geist, ich aber hielt ihn für einen Engel“, seufzte Ursus.
„Du erzählst mir das später einmal; jetzt müssen wir an den Verletzten denken.“
Bei diesen Worten begann er den Arm einzurenken. Trotz des Wassers, mit dem Crispus sein Gesicht bespritzte, fiel Vinicius vor Schmerz zu wiederholten Malen in Ohnmacht, so daß ihm der größere Teil der durch die Einrenkung verursachten Schmerzen erspart blieb. Glaukos schiente den Arm mit zwei schmalen Brettern, um jede Bewegung damit unmöglich zu machen.
Nach der Operation erwachte Vinicius und sah Lygia neben dem Lager stehen. Sie hielt eine Metallschüssel in der Hand, in die Glaukos von Zeit zu Zeit einen Schwamm tauchte, um das Haupt seines Patienten zu befeuchten.
Vinicius traute seinen Augen nicht. Was er sah, schien ein Traum oder eine schöne Fieberphantasie zu sein. Lange Zeit verging, bevor
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