Rabenblut drängt (German Edition)
die Hütehunde hielten ihre Stellung und trieben die Tiere wieder zusammen. Zu wem also gehörten diese Bluthunde? Ein Gefühl der Panik würgte sich in meiner Kehle hoch und presste meine Zunge gegen den Schnabel.
Ich sah Arwed mit Milos und Sergius über die wütende Meute hinweg davonstieben.
»Wo ist Pavel?« Unbarmherzig schlug ich in die Luft und trieb mich zu Höchstgeschwindigkeit an. Doch als ich den Wald erreicht hatte, musste ich mein Tempo drosseln, um nicht am nächsten Baum zu landen.
Dem Wolf hing seine Beute noch immer zwischen den Lefzen. Und dort war auch Pavel: Er hockte auf dem Rücken des Staubgrauen in einer natürlichen Symbiose.
Die Bluthunde kamen näher. Ich stürzte zu Pavel hinab, schrie ihn an, aber er regte sich nicht. Auch der Wolf war wie erstarrt.
»Wir werden unsere Beute verteidigen!«, krächzte Pavel heiser.
»Bist du wahnsinnig geworden?« Mit Schwung stieß ich gegen ihn und brachte ihn zu Fall. Wenige Flügelschläge später stand er wieder oben.
War das die Strafe für unseren Übermut?
Der Kampf gegen vier barbarische Bluthunde war doch völlig aussichtslos!
»Sei vernünftig, Pavel! Das hier ist kein Spiel mehr«, versuchte ich ihn zur Einsicht zu bringen. Aber er sträubte sich.
In wenigen Sekunden würde uns das Rudel erreicht haben.
Der Staubgraue schleuderte das Lamm beiseite. Seine Gesichtszüge veränderten sich, verzerrten sich in Angst. Erst knurrte er durch die Zähne und riss dann sein Maul weit auf, um einen gellenden Schrei auszustoßen. Etwas Ähnliches hatte ich noch nie gehört, und die Laute rieselten wie scharfkörniger Sand mein Gefieder hinab.
Von allen Seiten belferte die Meute auf den Wolf ein. Dieser klapperte mit den Zähnen, um seine Feinde zu vertreiben - ohne Erfolg. Der erste Hund schnappte zu, und ich hackte nach Pavel, um ihn zu verscheuchen. Wir konnten dem Staubgrauen nicht helfen, merkte er das denn nicht?
Einer der Angreifer lag plötzlich winselnd am Boden. Mit Triumphgeheul fiel der Staubgraue den Nächsten an. Schon zog sich das zweite Tier zurück. Das brachte Pavel auf den Plan: Siegesgewiss flog er auf den dritten Bluthund zu und versuchte, ihn mit seinem harten Schnabel im Gesicht zu treffen.
Ich hörte eine angsterfüllte Vogelstimme kreischen - es war meine eigene. Knapp flatterte ich über die Meute hinweg um sie abzulenken, von dem Jungvogel wegzulocken, der mir so viel bedeutete. Ich ließ sie nach mir springen - lockte sie. Und gerade, als ich dachte, der Staubgraue gewänne die Oberhand, stieß Pavel einen markerschütternden Schrei aus: Einer der Bluthunde hatte ihn erwischt.
Ein Knacken - und etwas in Pavel zerbrach.
»Nein!« Im Sturzflug schoss ich auf die beiden zu. Ein Knall, ein Aufjaulen, und der Staubgraue brach über dem Pelz eines Hundes zusammen. Blut rann aus seinem Maul und sickerte in sein Fell. Ich prallte gegen den Hund der Pavel gefangen hielt. Überrascht ließ er sein Opfer fallen und schnappte nach mir. Seine schaumgetränkten Zähne drangen durch mein Gefieder. Mein linker Arm schmerzte, fühlte sich auf einmal seltsam fremd und unnütz an.
Mein Arm?
Da erst spürte ich, wie mein Körper an Schwere gewann, meine Federn von mir abfielen und der Flaum sich wie Sprühregen in der Luft verteilte. Die Kälte traf mit voller Wucht meine nackte Haut.
Ich stürzte nach vorn über den feuchten, blutbesudelten Boden und riss Pavel mit den Händen an mich.
Er war so leicht, so zart, so zerbrechlich.
Meine Brust schmerzte. Ich drehte seinen kleinen Kopf zu mir und sah, nur für den Bruchteil einer Sekunde, sein wahres Gesicht.
Er war noch so jung!
Qualvoll stöhnte ich auf. Und meine menschliche Stimme war mir dabei so fremd und doch so vertraut wie eine lang verdrängte Erinnerung.
Nachtschuss
I ch verwünschte mich selbst. Was um Himmels willen hatte mich nur dazu getrieben, hier an diesen entlegenen Ort zu ziehen? Akute geistige Verwirrung? Ich zog die Decke bis zur Nasenspitze herauf, um mein Zittern zu unterdrücken. Wie sollte das erst im Winter werden? Marek hatte mir zwar versprochen, dass er die Zentralheizung in meinem Häuschen reparieren lassen würde, aber bisher war das nur leeres Gerede gewesen.
Im Sommer war es hier gar nicht so übel. Zumindest nicht, wenn man so freundlich empfangen wurde wie von Marek und Lara. Die beiden hatten dringend Hilfe nötig. Das war auch der Grund, warum sie mich für ein Jahr als Praktikantin einstellten, obwohl ich weder promovierte
Weitere Kostenlose Bücher