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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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Götter sah.«
    Er setzte sich neben Seraph und nahm ihre Hände in die seinen. »Die Eule war … sie war wie dein Mann. Sie half mir auf, sodass ich wieder aufrecht stand, und ich sah die anderen.« Er hielt inne, und Seraph kam zu dem Schluss, ihn nicht darauf hinzuweisen, dass er wiederum behauptete, Hinnum zu sein. Sie würde warten, bis er mit dem fertig war, was er ihr zu erzählen hatte. Hinnum, dachte sie, Hinnum würde
wissen, wie sie Tier retten und den Schatten töten konnte - und irgendwie war diese Illusion Hinnum.
    »Der Jäger war kein besonders hochgewachsener Mann«, sagte der Gelehrte gerade, »und er sprach auch nicht viel, aber wenn er im Raum war, war ich mir seiner immer bewusst, selbst der Gegenwart der anderen Götter. Der Kormoran glich der Statue in seinem Tempel - das taten sie eigentlich alle -, aber der Kormoran sah aus, als gehöre ein Lächeln auf sein Gesicht. In dieser Situation lächelte er nicht, aber ich konnte sehen, dass ihm ein freundlicher Gesichtsausdruck am vertrautesten war. Die Lerche mochte ich nicht - ich weiß nicht, warum. Vielleicht lag es an der Art, wie sie das Kind hielt, das in ihren Armen schlief, das kleine Mädchen, das den Zorn und die Macht des Kriegsgottes in sich trug - sie hielt es, als wäre es ein Stein oder ein Felsblock und nicht ein Kind, das wegen der Sünden anderer litt.«
    Der Gelehrte ließ Seraphs Hände wieder los und schlug die Hände vors Gesicht. »Die Eule rief meine Herrin und zwang den Raben, ihrem Ruf zu folgen. Ah, wenn ich doch vor diesem Tag hätte sterben können!«
    Er seufzte und ließ die Arme schlaff an den Seiten herabfallen. Als er weitersprach, setzte er seine Geschichte mit größerer Distanziertheit fort.
    »Als der Rabe kam, zeigte die Lerche ihm das schlafende Kind und sagte: ›Ich bin nicht mächtiger, als dein Gefährte es war, Rabe. In einem Monat werde ich seinen Zorn in diesem Kind nicht mehr zum Schlafen bringen können. Und dann wird seine Macht diese Welt verwüsten, und nichts wird sie aufhalten können.‹
    ›Es geht nicht um dieses Kind oder um den Adler‹, sagte der Kormoran. ›Es geht um den Weber und den Pirschgänger. Der Tod des Adlers hat die Bindungen, die sie halten, geschwächt. Wir müssen das Gleichgewicht wiederherstellen.‹«
    Der Gelehrte senkte den Kopf. »Dann sprach der Weber. Ich weiß nicht, was er sagte, denn seine Stimme überwältigte mich, und ich verlor das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, war nur noch der Rabe da, saß neben mir und strich mir übers Haar.«
    Wieder liefen dem Gelehrten Tränen über die Wangen, aber er schien sie nicht zu bemerken. »Der Rabe sagte: ›Wir geben euch Sterblichen die ganze Zeit kleine Stücke unseres Götterseins - ihr nennt sie Geschenke: Ein kleines Kind, das einen Ton perfekt halten kann, ein Krieger, dessen Reflexe schneller sind als die der meisten, eine Hebamme, deren Patientinnen nie an Kindbettfieber sterben.‹« Der Gelehrte unterbrach sich einen Moment, denn seine Stimme war zu belegt, als dass er fortfahren konnte.
    »Sie hat die anderen Götter getötet«, sagte Seraph verblüfft, als ihr klar wurde, was geschehen sein musste. »Ellevanal sagte, die Reisenden hätten ihre Götter getötet und sie verschlungen, und er hatte recht.«
    »Wir töteten sie, der Rabe und ich«, stimmte der Gelehrte zu. »Sie entschieden sich zu sterben, weil dies die einzige Möglichkeit war, das gesamte Sein zu retten. Sie opferten sich, und ihre Seelen flogen davon und ließen nur ihre Macht zurück. Der Rabe zeigte mir, wie ich diese Macht aufteilen und an die Weisungen binden konnte, damit sie, wenn ihre sterblichen Träger starben, einen anderen Weisungsträger finden würden.«
    »Aber die Macht des Adlers war anders«, flüsterte Seraph. »Er war kein freiwilliges Opfer gewesen und wollte seine Macht nicht gehen lassen.« Mein armer Jes, dachte sie. »Empathen. Du hast Empathen die Macht und den Zorn des Kriegsgotts gegeben.«
     
    Als Hennea aus der Bibliothek rannte, wusste sie nicht einmal, was sie so aufgeregt hatte, nur, dass sie es nicht ertragen
konnte, noch ein einziges weiteres Wort von dem Gelehrten zu hören. Die Flut von Zorn, von Schmerz, war so gewaltig - und Hennea hatte keine Ahnung, wo sie hergekommen war.
    Sie ging rasch umher und hatte dabei kein anderes Ziel, als sich körperlich zu ermüden und Gelegenheit zu erhalten, ein wenig mehr nachzudenken. Ruhig zu werden. Ein Rabe sollte nicht zulassen, dass er sich so aufregte.

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