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Rache auf leisen Pfoten

Rache auf leisen Pfoten

Titel: Rache auf leisen Pfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Mae Brown
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antwortete Susan. »Aurora Hughes« – sie schlug die Seite mit den Begabtesten auf und zeigte auf ein gertenschlankes Mädchen im langen Kleid in den Armen eines jungen Mannes, Hank Bittner, der Zylinder und Frack trug. »Sie ist ein Jahr nach dem Schulabschluss an Leukämie gestorben. Wir waren alle auf dem College, und ich habe heute noch ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht bei ihr war. Aurora war so ein liebes Mädchen. Und sie war wirklich begabt.«
    »Und wer noch?«, fragte Chris.
    »Ronnie Brindell«, erwiderte Harry, weil Susan sich gerade ein Plätzchen in den Mund gestopft hatte. »Er soll in San Francisco von der Golden-Gate-Brücke gesprungen sein und einen Abschiedsbrief hinterlassen haben. Ich kann es immer noch nicht glauben. Ich hatte Ron gern. Unvorstellbar, dass er – tja, was kann man zu Selbstmord schon sagen?«
    »Hier.« Susan schlug die Seite mit den beliebtesten Jahrgangsbesten auf. Ein schlanker, etwas weichlicher junger Mann saß mit Meredith McLaughlin, deren Augen vor Vergnügen blitzten, auf einem Karussell.
    »Er sieht nicht deprimiert aus.« Chris betrachtete das Bild. »Es heißt, er war schwul und konnte nicht damit fertigwerden.«
    Auch Harry betrachtete das Bild. »Er war ein netter Junge. Aber die harten Typen haben ihn fürchterlich gequält. Schwule Schüler müssen es auf der Highschool schwer gehabt haben, nur wurde damals nicht darüber gesprochen. Sie müssen täglich gepiesackt worden sein, das wurde natürlich alles unter den Teppich gekehrt.«
    »Ja, ich weiß. Bei uns in Lake Shore war es genauso. So was gab’s wohl in allen Schulen. Es ist wirklich traurig. Sich vorzustellen, dass er von der Brücke gesprungen ist.« Chris schauderte.
    »So wird der Herr für den Bedrückten zur Burg, zur Burg in Zeiten der Not.« Mit einem Vers aus dem 9. Psalm schloss Mrs Hogendobber das Thema ab.
    »Wer weiß, was für Geheimnisse rausflutschen werden wie Kastenteufel?«, grübelte Susan. »Alte Wunden könnten aufreißen.«
    »Susan, es ist ein Highschool-Treffen, um Himmels willen. Keine therapeutische Sitzung.«
    »Okay, das vielleicht nicht, aber es ist mit Sicherheit eine Bühne, wo Vergangenheit und Gegenwart vor aller Augen aufeinanderprallen.«
    »Susan, das sehe ich nicht so. Wir kennen diese Leute.«
    »Harry, wann hast du Bob Shoaf das letzte Mal gesehen?« Susan sprach von dem Spitzensportler ihrer Klasse, der später Profifootballspieler wurde.
    »Im Fernsehen.«
    »Glaubst du nicht, dass ihm das zu Kopf gestiegen ist? Diese Jungs brauchen bloß mit den Fingern zu schnippen, und ruck, zuck kriegen sie alles, was sie wollen, Frauen, Autos, Annehmlichkeiten aller Art … Er ist bestimmt nicht mehr derselbe alte Bob.«
    »Der hört sich ebenfalls faszinierend an.« Chris machte große Augen.
    »Er hält sich für faszinierend. Er war immer eingebildet, aber er sieht gut aus und ist bestimmt reich. Diese Typen kassieren unwahrscheinlich hohe Gagen.« Harry seufzte und wünschte sich, ihr würde ein bisschen Geld in den Schoß fallen.
    »Vielleicht hat er alles verpulvert. Vielleicht leidet er unter Depressionen. Vielleicht ist er impotent.« Ein diabolisches Grinsen breitete sich auf Susans Gesicht aus. »Geheimnisse!«
    »Sie hat sicher recht. Bei unserem zwanzigsten Ehemaligentreffen sind Leute, die auf der Highschool ineinander verknallt waren, zusammen davongeschlichen, Ehen gingen in die Brüche, alte Rivalitäten lebten wieder auf. Es war wirklich heftig. Amüsiert habe ich mich trotzdem.« Chris lächelte schüchtern.
    Susan wandte sich Harry zu. »Charlie Ashcraft!«
    »Nie und nimmer, selbst wenn er der letzte Mann auf Erden wäre!«
    »Du hast mit Charlie geschlafen. Das ist dein Geheimnis.«
    »Ist nicht wahr«, protestierte Harry.
    »Mädels.« Mrs Hogendobber tat schockiert. Sie lebte lange genug mit den Menschen dieser Generation zusammen, um zu wissen, dass sie Dinge direkt aussprachen, die man in ihrer Generation nicht ausgesprochen hatte. Sie war sich immer noch nicht sicher, ob das klug oder unklug war.
    »Weißt du, Harry, wenn das, was Chris gesagt hat, auch auf uns zutrifft, kommt auf dem Ehemaligentreffen alles ans Licht.«
    »Du bist ja total bescheuert.« Harry erwog, ihr eine Gurke ins Gesicht zu werfen. »Übrigens, jede Frau braucht ein paar Geheimnisse. Ein Mensch ohne Geheimnisse ist langweilig.«
    Mrs Murphy hob den Kopf. Nach der berauschenden Wirkung der Katzenminze, die Harry selbst zog, wurde ihr Verstand allmählich wieder klarer.

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