Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
hatten, bis ihre Eltern ins Bett gegangen waren, um dann abwechselnd ins Zimmer der anderen zu huschen, die halbe Nacht zu plappern und zu kichern, zusammen zu singen und sich auszumalen, wie es eines Tages werden würde, wenn sie erwachsen und berühmt sein und in Hollywood leben würden.
Nun, ihre Träume hatten sich erfüllt. Sie waren in Hollywood, beide. Aber was war geschehen? Wie war es zu dieser Konfrontation gekommen, obwohl doch alles eigentlich gut und richtig hätte sein müssen? Gab es für die Stone-Schwestern keinen Weg zurück?
Amber holte tief Luft und musterte ihre Schwester. Dachte an all die schönen und schrecklichen Momente, die sie miteinander erlebt hatten, dachte daran, was sie dorthin geführt hatte, wo sie nun waren.
»Du kannst mich mal«, sagte sie und verließ das Haus.
Erster Teil
KILLER QUEEN
1
London, 1976
S ie hatte es geschafft. Sie war endlich und tatsächlich angekommen.
»Und ich werde ein Star«, flüsterte Margaret Michaels, als sie zu den Lichtern von Piccadilly Circus emporblickte. »Oh ja. Und niemand wird mich daran hindern.«
Sie schauderte in der kühlen Septemberluft und verzog beim Klang ihres nordenglischen Akzents angewidert das Gesicht. Obwohl Margaret erst sechzehn Jahre alt war, nahm sie schon seit einem Jahr Sprechunterricht, um wie ihr Idol Julie Christie zu klingen. Und nun war sie endlich hier, in London, ganz allein und wild entschlossen, ihren Traum wahr zu machen.
Denn seit sie klein war, hatte sie immer nur das eine sein wollen: ein Star.
Im Alter von zwölf Jahren teilte Margaret ihren Eltern mit, dass sie von nun an nur noch auf den Namen Maggie hören würde. Mit dreizehn begann sie, ihr Taschengeld zu sparen. Als sie vierzehn geworden war, verschaffte sie sich einen Job bei Toni’s, dem Friseur, der sich nicht weit von der schäbigen Nebenstraße Sheffields befand, in der das kleine Reihenhaus ihrer Eltern stand. Der Fußweg dorthin dauerte nur zehn Minuten, doch es war, als beträte man eine ganz andere Welt – eine magische Welt, die nichts mit rostigen Stahlwerken, müden Männern und Frauen, Streiks und Depressionen zu tun hatte. Toni’s bedeutete Glitzer und Glamour, bedeutete magere Mädchen, die wie Glenda Jackson aussahen, köstliche Düfte nach Haarspray und Parfums, bedeutete das Versprechen auf Starruhm und Flucht aus dem Mief und der Enge der Kleinstadt.
Maggie fegte den Boden, kochte Tee und Kaffee, wusch Haare und beobachtete, wie mausgraue, scheue Hausfrauen mit mattem, farblosem Haar den Salon betraten und ihn mit strahlendem Gesicht, leuchtenden Augen und nach Elnett duftend wieder verließen. Maggie sah zu, hörte zu und lernte. Sie hätte umsonst gearbeitet, nur um sich in dieser Zauberwelt bewegen zu dürfen, aber der Wochenlohn von einem Pfund war auch nicht zu verachten. Damit war es ihr möglich, Sprechunterricht zu nehmen und sich bei Castle House, dem schicken Kaufhaus in der Innenstadt, die neue Handtasche, Lidschatten und Parfum zu kaufen.
»Komm mir ja nicht auf dumme Ideen, junge Dame«, sagte Ron Michaels nicht nur ein Mal. »Schämst du dich deines Vaters, Margaret? Ist es das? Ist Sheffield nicht mehr gut genug für dich?«
»Nein, Dad, natürlich nicht«, antwortete Maggie jedes Mal brav. Aber sie log. Sheffield war alles andere als gut genug für sie. Sie war etwas Besonderes, und sie würde etwas daraus machen, auch wenn sie nicht wusste, was und wie. Ihr Vater war Stahlarbeiter und ihre Mum … na ja, mit ihrer Mum stimmte irgendetwas nicht, aber keiner wusste so genau, was. Sie lag die meiste Zeit im Bett und fürchtete sich vor ihrem Mann, ihrem eigenen Spiegelbild und zunehmend auch vor ihrer eigensinnigen, wunderschönen, einzigen Tochter, die, zumindest was Maureen Michaels betraf, von einem fremden Planeten zu stammen schien. Es war, als habe ein außerirdisches Volk sie auf ihrer Schwelle ausgesetzt, auf dass sie im Laufe der Jahre zu diesem befremdlichen, ätherischen Wesen mit endlos langen Beinen, rotblonder Mähne, makelloser Haut und riesigen grünen Augen heranwuchs, die vor Zorn blitzen und vor Freude funkeln konnten.
Nein, Sheffield war nicht groß genug für Maggie, und als sie in die Pubertät kam, wuchs ihre Gewissheit, dass sie nicht hierhergehörte: Maggie war entschlossen, nach London zu gehen, um ihre Träume wahr zu machen. Die Mädchen in der Schule hassten sie. Sie waren überzeugt, dass Maggie sich mit ihrer gestelzten Sprache, ihrem hochnäsigen Tonfall und den
Weitere Kostenlose Bücher