Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
Sandra, meine Kellnerin, ist abgehauen. Mit den Einnahmen von gestern, die elende kleine Schlampe. Jetzt brauche ich ein neues Barmädchen, drei Abende die Woche.« Er strich sich lässig über die perfekt geformte Augenbraue und fügte hinzu: »Ein Mädchen, das mich nicht beklaut, falls das nicht zu viel verlangt ist.«
Maggie blickte durch den schwarzen Fensterrahmen, von dem die Farbe abblätterte, in einen gemütlichen Pub mit alten Schwarzweißfotos an den Wänden, Unmengen an Flaschen im Regal und eine Reihe silberner Krüge, die an Haken baumelten. »Oh«, sagte sie wieder. »Tut mir leid, aber ich bin …«
Sie brach mitten im Satz ab. Ich bin Schauspielerin, hatte sie sagen wollen, aber das hörte sich viel zu hochnäsig an. Ich habe Hunger, traf es besser . Ich muss morgen die Miete zahlen. Und ich will mich nicht ständig ausziehen müssen …
Und schließlich gewann die Vernunft, und sie blickte lächelnd zu Nigel auf. »Kann ich mal reinkommen und mich umsehen?«
»Aber sicher, Liebes«, erwiderte er und stieß die klapprige Schwingtür auf. »Willkommen im Black Horse, dem besten Pub Sohos.«
3
O bwohl Maggie es wahrscheinlich anderen gegenüber niemals zugegeben hätte, musste sie feststellen, dass es ihr tatsächlich gefiel, hinter der Bar zu stehen. Im Black Horse zu arbeiten half ihr nicht bei der Verwirklichung ihrer Träume, aber wenigstens konnte sie sich nun selbst finanzieren und hatte noch Zeit zum Vorsprechen. Niemals hätte sie geglaubt, dass sie Spaß daran haben könnte, Drinks auszuschenken, und in gewisser Hinsicht war sie entsetzt über sich selbst: War sie etwa dafür nach London gekommen?
Tatsächlich aber war der Job interessant. Die Stammgäste im Black Horse waren ein bunter, skurriler Haufen. Einige erinnerten sie an die alten Säufer, die sie aus dem Duke of York, Dads Stammlokal in Sheffield, kannte – ungewaschene Männer mit roten Nasen, denen weiße Haarbüschel aus den Ohren wuchsen. Andere wiederum waren spannende Gestalten: um ihre Existenz ringende Schauspieler in schwarzer Kleidung, die nach den Vorsprechterminen hereinkamen, um ihre Sorgen im Alkohol zu ertränken, oder vor einer Vorstellung, um das Lampenfieber runterzuspülen. Oder die um ihre Existenz ringenden Künstler, frisch von der Kunsthochschule, die über die Arbeit anderer schimpften und lamentierten, wie sehr sie die kommerziellen Möchtegernkünstler verabscheuten, die ihre Bilder an den Geländern im Hyde Park aufhängten. Maggie war eines Sonntagnachmittags im Hyde Park gewesen, hatte die Gemälde – zarte Aquarelle von Bäumen, Seen und weißen Villen – gesehen und sie sehr hübsch gefunden, aber natürlich hütete sie sich, es laut zu sagen.
Da waren die Stripperinnen, die auf ihren Auftritt in einem der zahlreichen sogenannten »Theater« warteten, grell und viel zu stark geschminkt, aber stets freundlich zu Maggie, obwohl sie auf sie herabsah. Da waren die Ladenbesitzer aus der Nachbarschaft, wie der Mann aus dem italienischen Geschäft, in dem riesige Salamis von der Decke hingen und es nach Knoblauch und Basilikum roch, oder der Besitzer vom jüdischen Imbiss, wo man köstliche Rindfleischsandwiches bekam. Es kamen Händler aus ganz Soho, die auf dem Markt Kräuter und Gewürze, Schallplatten dubioser Pressungen oder Stoffe verkauften. Und hin und wieder die zwielichten Gestalten mit dem gegelten Haar, in tadellosen Anzügen, mit auffälligen Manschettenknöpfen und dicken Brieftaschen, deren Inhalt sie nur allzu gerne zeigten.
Soho war alles, was Sheffield nicht war, und Maggie schloss das Viertel in ihr Herz. Für sie war das Black Horse bald eine Art zweite Heimat, das Zuhause, das sie nie gehabt hatte. Nigel war lieb, die Stammgäste ebenfalls. Man fragte sie nach den Castings und fühlte mit, wenn es wieder einmal nicht geklappt hatte. Man neckte sie, flirtete mit ihr, stöhnte, wenn sie eine Bestellung vergaß, und sparte nicht mit Lob, als sie von Mal zu Mal besser und effektiver wurde. Sie lernte ihr kleines Reich hinter der Theke zu genießen, polierte das Holz, sortierte die Gläser und wischte die Flaschen ab, so dass alles um sie herum so blitzte und funkelte, wie sie es in ihrer Wohnung gerne gehabt hätte.
Und vielleicht würde ja eines Tages jemand kommen, sie hinter der Theke sehen und ihr Talent erkennen. Dieser Gedanke war tröstend, und bald war sie sich sicher: Genauso würde es geschehen. Man würde sie entdecken wie damals in den dreißiger Jahren Lana
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