Racheakt
und falsch vor.
»Du hast all diese Mädchen ermordet, meine Tochter verschleppt und beinahe umgebracht!«
»Ja – und? Du hast sie doch noch rechtzeitig gefunden? Tja, da hat das Baby aber Glück gehabt, nicht? Papas verhätschelte Kleine wird den Kontakt mit der bösen Frau überleben! Nur weil du Vorurteile hast, ist dir nie der Gedanke gekommen, bei dem Täter könne es sich um eine Frau handeln! Frauen töten nicht auf solch bestialische Weise, sie sind schwächlich und können nicht hart genug zuschlagen! Ha! Und eine Leiche tragen können sie schon gar nicht! Ihr Machos!«
Wie hatte er sich nur so täuschen lassen können. Warum, zum Teufel, war ihm bei den gemeinsamen Abendessen nie etwas aufgefallen. Du bist der mieseste Menschenkenner, der mir je begegnet ist, Peter Nachtigall, dachte er.
Als sie plötzlich doch noch seine Frage beantwortete, zuckte er erschrocken zurück.
»Einer musste es doch tun.«
Nachtigall versuchte in ihren Augen so etwas wie ein irres Flackern zu entdecken – aber ihr Blick ruhte gleichgültig auf ihm und ihre Stimme wies deutlich eine Nachdrücklichkeit auf, die ihm zeigte, dass sie ihre Worte durchaus ernst meinte.
Er schaltete das Aufzeichnungsgerät ein.
»Das verstehe ich nicht.«
Sie seufzte.
»Das habe ich, ehrlich gesagt, auch nicht erwartet, Herr Hauptkommissar. Diese Gesellschaft befindet sich auf einem schrecklichen Irrweg. Meine Rolle ist die eines Aufklärers, ja, eines Erlösers. Es ist eine Mission! Ich habe die Aufgabe übernommen euch die Augen zu öffnen. Noch ist es nicht zu spät für eine Wende.«
Sie beugte sich weit über den Tisch und zwang Nachtigall ihr in die Augen zu sehen.
»Sehen wir uns doch mal diese dummen Menschen genauer an! Was tun sie nicht alles, um nicht zu altern oder dem anderen Geschlecht zu gefallen!? Die Frauen besonders! Sie lassen sich operieren, färben und in heiße Tücher wickeln. Sie rennen in Studios und rackern sich ab für einen flachen Bauch und einen knackigen Po. Und die, bei denen überhaupt nichts mehr hilft, die bleiben auf der Strecke! Ihr Männer glotzt doch nur wie gebannt auf die Oberweite – innere Schönheit zählt doch für euch nicht!«
Frau Dr. Jung hatte sich in Rage geredet – Speicheltröpfchen sprühten über den Tisch auf die Fotos von den Tatorten. Nachtigall wischte sie mit dem Ärmel weg.
»Sollte nicht einer von uns mit reingehen?«
»Nein. Er wird uns ein Zeichen geben, wenn er uns braucht. Er kommt schon klar«, entschied Albrecht Skorubski und warf Dr. März einen langen Blick zu. Der Staatsanwalt zuckte mit den Schultern und sah wieder auf den Bildschirm.
»Wie geht es seiner Tochter?«, fragte er dann und Albrecht Skorubski hoffte, der Staatsanwalt möge sich ein wenig unwohl fühlen in seiner Haut. Hatte er nicht bis um Schluss versucht, die Suche nach einer Frau für Unsinn zu erklären?
»Sie mussten also sterben, weil sie so schön waren?«
»Schön!«, spuckte sie ihm ihre Verachtung ins Gesicht. »Was ist schon Schönheit? Eine Larve – sonst nichts! Wenn sie vergeht, bleibt die innere Schönheit zurück. Der innere Wert des Menschen ist das Einzige, das zählt – früher haben das die Menschen noch gewusst. Heute haben sie es vergessen! Als ich mit den Mädchen fertig war, war von ihrer äußeren Schönheit nichts mehr geblieben! Ich habe sie ›entlarvt‹!«
»Vielleicht hatten sie innere Schönheiten, von denen Sie nichts gewusst haben?«
»Nein! Ich habe sie sorgfältig ausgesucht, das sollte Ihnen eigentlich klar sein! Mir sind keine Fehler unterlaufen – dazu war mir meine Mission viel zu wichtig!«
»Aha?«
»Die Erste zum Beispiel. Ein wirklich schönes Kind. Sie hatte einen Freund, ich habe sie zusammen gesehen. Doch die große Liebe war es wohl nicht. Sie betrog ihn munter mit zwei anderen, die bestimmt auch nichts voneinander wussten! Um die kleine Hure war es nun wirklich nicht schade!«
Frau Dr. Jung schilderte emotionslos und in allen Details, wie sie Anna Magdalena Kranz gefolgt war. Über einige Wochen hatte sie das Mädchen beobachtet und sie schließlich getötet.
»Wo hot se bloß die abgeschnittene Zehe g’losse?«
»Der Erkennungsdienst hat drei Gläser mit Inhalt auf einem Regal in diesem Kellerraum gefunden. Sie gehen davon aus, dass sich darin die Zehen der Opfer befinden – eingelegt in einer leicht trüben Flüssigkeit.«
Michael Wiener schüttelte sich.
Skorubskis Telefon klingelte. Er lauschte und unerwartet zog
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