Racheakt
Altmann, immer wieder betont hatte, ihm seien Beamte lieber, die noch emotional reagieren könnten, als solche, die schon völlig abgestumpft waren. Trotzdem war er für die anderen von da an ein Weichei, einer, der im entscheidenden Moment den Schwanz einziehen würde, auf den man sich in Krisensituationen nicht verlassen konnte.
Aber damit würde es jetzt vorbei sein. Hier stand er an vorderster Front um dieses perverse Schwein zu fassen, das eine ganze Stadt in Atem hielt.
Das vereinbarte Zeichen von Nachtigall ließ ihn wie katapultiert auf das Auto zustürzen. Adrenalinschübe sorgten dafür, dass er scheinbar flog. Seine Waffe war entsichert und er zu allem bereit! Von allen Seiten riefen sie durcheinander.
»Polizei! Nehmen sie die Hände hoch!«
»Sofort! Hände über den Kopf!«
Überraschend stieß der Fahrer die Autotür auf und schlug Falko König damit die Waffe aus der Hand.
Das bläuliche Licht beleuchtete für einen winzigen Augenblick die resigniert – befriedigten Züge des kaltblütigsten Mörders, den Cottbus je gesehen hatte.
»Sie?« konnte der junge Mann gerade noch ausrufen, dann überstürzten sich die Ereignisse.
Die Sekunde der Überraschung nutzte die Person im Auto und packte hart zu. Scheppernd fiel das Laptop zu Boden und Falko König spürte, wie sein Körper von muskulösen Armen gedreht und ihm im unerbittlichen Würgegriff die Luft knapp wurde. Kräftige Beine umschlangen seinen Oberkörper und pressten seine Arme rücksichtslos an seinen Brustkorb.
Eine scharfe Klinge bohrte sich in seinen Hals.
Er versuchte zu schlucken.
»Wenn ihr näher kommt, dann steche ich den Kleinen hier ab!«
Da war es wieder! Für alle, selbst für die miesesten Verbrecher, war er eben immer nur der Kleine!
Der Einsatzleiter signalisierte den anderen Abstand zu halten.
»Das ist doch sinnlos. Sie können uns doch nicht alle töten. Sie haben keine Chance.«
»Dann töte ich eben nur diesen hier! Wie gesagt: Wenn ihr näher kommt, steche ich ihn ab.«
Falko König rang nach Atem. Der Griff lockerte sich etwas, doch der Druck der Klinge an seiner Carotis nahm zu. Er spürte, wie ein warmes Rinnsal in seinen Kragen lief. Er überlegte fieberhaft. Angstschweiß rann über seinen Rücken und sammelte sich am Hosenbund. Falko König war noch nicht bereit zu sterben.
»Lassen Sie ihn los! Es nützt doch niemandem, wenn er auch noch sterben muss.«
Falko König hatte Angst.
»Hast du eigentlich eine hübsche Freundin?«, wisperte es an seinem Ohr.
Um ihn herum herrschte eine gespenstische Ruhe. Keiner der Kollegen bewegte sich. Falko wusste, dass das ein schlechtes Zeichen war. Sie nahmen die Drohung ernst. Und sie unternahmen nichts, um ihn zu retten.
»Lassen Sie ihn gehen. Wenn Sie einen Polizisten erstechen, wird das ihre Situation nur verschlechtern«, Julius Altmann sprach eindringlich.
»Schließ mit deinem Leben ab!«, flüsterte eine Stimme in Falkos Ohr.
Und plötzlich wusste er, was zu tun war.
Sie hatten es doch tausendmal geübt!
Die anderen warteten sicher nur darauf, dass es ihm endlich einfiel.
Unverhofft ließ er seinen Körper schwer nach unten wegsacken! Sein Gewicht, das nun plötzlich in den Armen des Fahrers hing, riss beide Körper zu Boden. Ein heftiger Schmerz an seinem Hals, aber der Würgegriff hatte sich tatsächlich gelockert; dann hatte er plötzlich den Eindruck unzähliger Leiber, die auf das Auto zustürzten, schwere Stiefel stürmten gefährlich nahe an seinem Kopf vorbei, er wurde unter den Armen gepackt und er hatte undeutlich das Gefühl, man zerre ihn über den Boden. Danach nahm er nur noch schemenhaft wahr, wie die Kollegen jemanden packten und endlich die Handschellen klickend zuschnappten.
Falko König spürte, wie eine ungekannte Kälte sich in seinem Körper ausbreitete. Dann verlor sich sein Bewusstsein in Fragen und wirren Antworten.
Sie hatten sich geirrt! Es musste ein Fehler sein.
Enttäuschung machte sich in ihm breit. Sie waren doch so sicher gewesen – es sollte ein Triumph über das Böse werden und nun das! Alles war irgendwie falsch! Das Heulen der Sirenen schien von weit weg zu kommen – von irgendwo außerhalb des Universums. Falko war zu müde, um weiter darüber nachzudenken.
Vorsichtig hob Julius Altmann den Laptop auf und reichte ihn an den Kollegen von der Technik weiter. »Scheiße!«, murmelte er und schüttelte ratlos den Kopf. »Das glaub ich nicht!«
»Und nun?«, fragte er lauter nach
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