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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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Menschheit, die nun endlich wieder erkennen wird – dank meiner Mission. Es wird endlich wieder Gerechtigkeit herrschen.
    Die Zeitungen berichten über mich, das Fernsehen auch. Das war der erste Schritt, um möglichst viele dieser Verirrten zu erreichen! Natürlich wird mein Name dabei nicht genannt, den werden sie nie erfahren! Aber ich bin sicher, es wird nicht lange dauern und sie werden mir einen neuen verleihen. Ein Pseudonym. Einen Künstlernamen. Einen Namen für die Geschichte, ja sogar für die Ewigkeit.
     
    Leider schlafe ich trotz meines ersten Erfolgs weiterhin sehr schlecht. Die Träume sind wieder da, die Stimmen – vergessen geglaubte Versatzstücke aus der begraben geglaubten Vergangenheit.
    Seit ungefähr vier Wochen geht das jetzt schon so.
    Ich liege in meinem Bett in der Marienstraße am Busbahnhof. Auf dem Rücken. Den Atem halte ich möglichst flach, damit er nicht hört, dass ich wach bin. Deutlich höre ich das Knarren, das entsteht, wenn er das Ehebett verlässt. Ich kann heute noch nicht begreifen, wie meine Mutter bei dem Lärm weiterschlafen konnte.
    Dann seine schlurfenden Schritte auf dem Flur. Sein Pyjama raschelt, der Boden beschwert sich mit vernehmlichem Ächzen. Ich lausche auf jedes Detail.
    Warum wacht Mama nicht auf!

5
    »Guten Morgen!«, brummte Hauptkommissar Nachtigall übellaunig und ließ sich schwer in seinen Schreibtischstuhl plumpsen.
    Die beiden Kollegen nickten stumm.
    Sein Büro grenzte an das der Kollegen und war durch eine Glasscheibe abgetrennt. Er ließ die Tür grundsätzlich offen. Schließlich arbeiteten sie zusammen und je kürzer die Kommunikationswege, desto besser, fand er.
     
    Aber es war eben wie so oft nach einem solchen Abend.
    Sie hatten den kleinen Rucksack durchsucht, den die Kollegen aus dem Mülleimer an der Straßenbahnhaltestelle gefischt hatten. Eine Brieftasche fanden sie nicht darin, aber ansonsten alles, was ein junges Mädchen über den Tag zu benötigen glaubte: Mascara und Lippenpflegestift ebenso wie Geldbeutel und Hausschlüssel. Am Bund war kein Autoschlüssel.
    Außerdem waren da ein Kriminalroman, ein Kugelschreiber, Schulbücher, ein Collegeblock, ein Handy und ein Notizbuch verstaut.
    Gerade als sie schon davon überzeugt waren, dass der Inhalt der Tasche die Identität der Besitzerin nicht preisgeben würde, ertastete Nachtigall etwas Hartes. Er forschte vorsichtig im Innenfach nach und entdeckte dabei eine getarnte Innentasche, ein Geheimfach. So eines hatte sein Neffe Leander ihm am Wochenende auch gezeigt. Darin war ein Päckchen Kondome versteckt. Von den ursprünglich sechs Stück fehlten vier.
    Mit den beiden letzten bunten Päckchen fiel auch eine Scheckkarte auf ihren Schreibtisch – mit Foto.
    Und obwohl das Gesicht unter dem Blut und den verklebten Haaren nur schlecht zu erkennen gewesen war, konnte die junge Frau auf dem Bild durchaus große Ähnlichkeit mit ihr haben.
    Anna Magdalena Kranz.
    Der Name stand neben dem Bild. Auf der Rückseite eine ordentliche Unterschrift, beinahe noch kindlich.
    Nur kurze Zeit später saßen Peter Nachtigall und Albrecht Skorubski einem blassen, verstörten Elternpaar gegenüber, das sich fest umschlungen weigerte zu glauben, ihrer Tochter könnte etwas Schreckliches zugestoßen sein.
     
    Peter Nachtigall fühlte sich als Überbringer dieser furchtbaren Nachricht wie ein Fremdkörper in diesem überladenen Wohnzimmer. Die Möbel waren Klassiker aus den späten Sechzigern, schätzte er. Kuschelige Kissen türmten sich auf weichen Decken, im Regal standen gerahmte Fotos von Magdalena und einem jungen Mann, die die beiden fröhlich und ausgelassen zeigten. Wahrscheinlich war der junge Mann ihr älterer Bruder. Die Ähnlichkeit war unverkennbar.
    Die ganze Atmosphäre und Gestaltung strotzte nur so von Familienidylle, Sicherheit und liebender Geborgenheit.
    Ganz anders als bei Jule und mir, dachte Nachtigall, der sich manchmal schon etwas mehr Nähe gewünscht hätte, ein wenig schmerzlich. Das war wohl der Preis, den er zu bezahlen hatte, für seine Erziehung zu Mündigkeit und Selbstständigkeit.
    Anna Magdalenas Vater, ein grauhaariger wohlbeleibter Endfünfziger, schüttelte immer wieder den Kopf und tätschelte seiner Frau, die deutlich jünger zu sein schien, tröstend die Hand. Frau Kranz volle Lippen zuckten und in ihren von aufsteigenden Tränen verschleierten Augen stand schiere Verzweiflung.
    Die beiden versicherten sich und den Beamten hartnäckig, Anna käme sicher

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