Rachel ist süß (German Edition)
Richtung Fettfilter. Wilfried deutete entschuldigend auf die blassen, überhängenden Schnitzelenden: „Die große Pfanne hat meine Frau behalten.“ Ich nickte verständnisvoll. Ich hatte alle Pfannen behalten, nicht nur die Großen, aber es war nicht sinnvoll, dieses Thema jetzt zu diskutieren, denn es gab wesentlich Dringenderes.
„Wenn erwachsene Menschen verschwinden, und ich rechne Wendy jetzt der Einfachheit halber zu dieser Kategorie, dann gibt es doch nicht viele Möglichkeiten. Entweder sie verschwinden freiwillig und wollen nicht gefunden werden, oder jemand hat sie entführt und es gibt Lösegeldforderungen.“
Wilfried nickte zustimmend und zerteilte sein Schnitzel mit einem ungewöhnlich scharfen Messer, bevor er flüsterte: „Oder jemand hat sie brutal ermordet. Aus Rache! Aus Hass! Aus Schmerz! Und wenn ihre Leiche verwesend im Wald gefunden wird, dann werden alle sicher sein, dass du es warst!“
Ich hatte Wilfried, den alle außer mir Wilfriert nannten, weil er einen Bofrost-Wagen fuhr, eine solche Vehemenz gar nicht zugetraut, denn er hatte nacheinander kampflos seine Haare, seine Frau und seine Figur verloren.
„Wir beide müssen das verhindern und selbst herausfinden, was passiert ist!“ Wilfried witterte offensichtlich eine Möglichkeit, seinem tiefgekühlten Gemüseeinerlei zu entkommen. „So wie Miss Marple und Mr. Stringer.“
Es gab eine eitle achtundvierzigjährige Frau in mir, die bitterlich weinte, weil Wilfried ausgerechnet diesen Vergleich gewählt hatte, aber dennoch verspürte auch ich einen gewissen Handlungsdrang. „Wenn du unbedingt Vorbilder brauchst, dann lass uns Cagney und Lacey sein.“
„Wer von den beiden war nochmal der Mann?“, fragte Wilfried und begann sich sichtlich für diesen Gedanken zu erwärmen.
„Keine!“
„Da kann ich mit leben. Du rufst jetzt deinen Ex an, und ich unterhalte mich mit Wendys Nachbarn. Glücklicherweise habe ich den tiefgekühlten bürgerlichen Rollbraten noch im Angebot, der öffnet in dieser Gegend viele Türen.“
III
Ich hatte nichts als unschöne Erinnerungen an die keifende Furie zwischen den rauchenden Trümmern einer zwanzigjährigen Ehe im Angebot, als ich meinem Exmann vor seiner Firma in den Weg trat, und wäre für jedes gefrorene Lebensmittel als Gesprächsauftakt sehr dankbar gewesen. Der attraktive Fremde, den ich viele Jahre irrtümlich MEINEN Mann genannte hatte, schien völlig in Gedanken versunken. „Konrad?“ Seine Augen lagen in tiefen Höhlen und sahen mich verwirrt und ohne die Verachtung und die Wut der letzten Monate an. Er liebt sie wirklich, dachte ich, und er hat keine Ahnung, wo sie ist. Ich wusste, wenn das hier vorbei war, dann würde ich vor Schmerz über diese Erkenntnis aufheulen, aber für preisverdächtige Sirenenimitation war jetzt keine Zeit.
„Können wir einen Moment reden?“
Er sah mich wortlos an und nickte dann langsam.
„Ich habe gehört, was passiert ist, und ich will, dass du weißt, dass ich nichts damit zu tun habe. Das glaubst du doch, oder?“
Er nickte noch langsamer, sofern das überhaupt möglich war. „Das weiß ich und das habe ich der Polizei auch schon gesagt. Aber sie haben diese Anrufe und …“ Seine Augen begannen verdächtig zu glänzen. „Karin, sie wäre niemals einfach so weggegangen. Nicht eine Woche vor unserer …“
Er hielt rechtzeitig inne, um mir leid zu tun, und im Himmel wälzten sich die Schicksalsgötter vor Lachen auf den Wolken.
„War denn gar nichts anders an ihr in den letzten Wochen?“ Diese Frage hatte ich schon in vielen Krimis gehört und beschlossen, sie zu stellen.
Er schüttelte den Kopf. „Sie war aufgeregt und ist dreimal in der Woche zur Kosmetik gegangen.“ Ein Lächeln erhellte seinen Blick. „Aber das ist wohl normal für eine so junge Braut.“ Um mein Mitleid wuchs ein Stacheldrahtzaun und ich trat einen Schritt zurück, um Konrad keine blutigen Wunden zuzufügen.
„Es war das Studio, wo du früher auch öfter hingegangen bist. Ich habe sie am Anfang meist abgeholt, aber in der letzten Zeit ist sie immer alleine gefahren.“
Na toll, dachte ich, Wendy hatte also kurz vor ihrem Verschwinden noch gelernt, die frisch epilierten Waden selbstständig auf das Gaspedal zu stellen. „Hatte sie denn Feinde?“ Noch so ein Satz, den ich nur aus dem Fernsehen kannte.
„Wendy doch nicht!“, antwortete Konrad so entsetzt, als hätte ich
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