Racheopfer

haben? Ganz zu schweigen von den Interviewanfragen. Haben Sie das letzte Interview gesehen, das der Gefängnisleiter genehmigt hat? Die Reporterin wäre beinahe umgekommen. Inoffiziell kann ich Ihnen eins sagen: Wenn es nach mir ginge, würde ich Ackerman in einen Fichtensarg packen und ihn lebendig in einem unmarkierten Grab verscharren. Leider kann ich das nicht tun, aber ich kann dafür sorgen, dass er nie wieder das Tageslicht erblickt. Ich glaube, wir sind hier fertig.«
    Jennifer wollte das Wort ergreifen, aber David McNamara kam ihr zuvor. Er sprang auf, straffte die Schultern und sprach den Gouverneur in jenem selbstbewussten Tonfall an, auf den er in seiner Militärzeit gedrillt worden war. David hatte im Irak gedient, und die Narben trug er noch immer. Jennifer wusste, dass er im Grunde seines Herzens stets Soldat bleiben würde. »Sir, bei allem schuldigen Respekt, im Eisernen Kreis sind wir in der Lage, mit Ackerman fertig zu werden«, sagte er mit seinem unüberhörbaren Südstaatenakzent.
    »Eiserner Kreis?«
    »Jawohl, Sir. So nennen wir unseren Sicherheitstrakt.« McNamara schaute den Direktor des DOC an. Der massige Mann antwortete mit einem Blick, der töten konnte. »Und anders als die Wärter, die Ackerman vor seinem letzten Interview gefesselt haben, sind meine Leute eingewiesen, wie Ackerman zu behandeln ist. Der Eiserne Kreis folgt in seinem Aufbau den besten Hochsicherheitseinrichtungen der Welt. Ackerman käme in Einzelhaft und würde rund um die Uhr überwacht. Seine Zelle könnte er erst verlassen, nachdem er vollständig gefesselt worden ist, und auch nur zu Therapiesitzungen, die er hinter Plexiglas in einem eigens dafür eingerichteten Raum absolvieren müsste. Die eine Stunde am Tag, die für körperliche Aktivitäten vorgesehen ist, müsste er in einem abgeschlossenen Bereich verbringen, der unmittelbar an die Rückwand seiner Zelle angrenzt. Er hätte zu niemandem Kontakt. Die Zellen befinden sich hinter einer Ladezone und einer zusätzlichen Sicherheitstür, die zu einem kurzen Flur führt. Dieser wiederum grenzt an einen Überwachungsraum, in dem zwei bewaffnete Wärter stationiert sind. Selbst wenn jemand bis dorthin vordringen könnte, müsste er zwei weitere Sicherheitstüren passieren, die mit einem zusätzlichen Wärter bemannt sind, um in den Haupttrakt der Klinik zu gelangen. Es gibt keine Fenster und keinen Notausgang. Wir haben an alles gedacht.«
    Der DOC-Direktor lachte. »Dann denken Sie noch gründlicher nach. Bei diesem Kerl reicht ein Fehler, und Ihre Männer sind tot – wenn sie Glück haben. Und ganz gleich, wie viele interne Sicherheitsvorkehrungen Sie treffen, Ihre Einrichtung hat keinerlei äußere Sicherheit. Keine Wachtürme. Keinen Klingendraht. Wer an Ihren Leuten vorbeikommt, hat freie Bahn.«
    Kendrick ergriff wieder das Wort und wandte sich an den Gouverneur. »Betrachten wir es einmal aus einer anderen Perspektive, Mr. Governor. Ich weiß, dass Sie politische Ambitionen verfolgen, die über die bundesstaatliche Ebene hinausgehen. Sie wurden bereits als möglicher Vizepräsidentschaftskandidat genannt. Behalten Sie das im Hinterkopf, und überlegen Sie sich, wie teuer uns die Strafverfolgung und der Strafvollzug bei Männern und Frauen mit psychopathischen Neigungen jährlich zu stehen kommt. Zusammen mit den Folgekosten ihrer Taten belaufen sie sich auf drei- bis vierhundert Milliarden Dollar im Jahr. Wenn wir bei der Suche nach einer Heilung dieser Krankheit Erfolg hätten - einer Krankheit, auf die man schon Fünfjährige untersuchen könnte -, wäre ich bereit, die entscheidende Rolle hervorzuheben, die Sie bei der Pionierarbeit zur Entwicklung dieser revolutionären Methode gespielt haben. Nicht zu vergessen die Einsparung von Abermilliarden an Steuergeldern.«
    Der Gouverneur verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. Jennifer schöpfte Hoffnung, als auf seinen Lippen ein leichtes, selbstgefälliges Lächeln erschien. Dann sagte er: »Dr. Kendrick, Sie sind ein Mann nach meinem Geschmack.«

3
    Die Sonnenstrahlen umschmeichelten Jennifers Gesicht, als sie die psychiatrische Klinik Cedar Mill durch den Vordereingang verließ. Die hohen lehmbraunen und grauen Gebäude standen auf einem abgelegenen, hundertfünfzig Morgen großen Grundstück in den Wäldern von West-Michigan unweit des Manistee National Forest. Jennifer roch Benzin und frisch geschlagenes Holz. Als sie sich umschaute, sah sie die Gärtner, die die Berberitzen- und