Rachsucht
schmiedeeisernen Zaun entlang und zog ratternd einen Metallstab über das Gitter. Es konnte nicht lange dauern, bis der Lärm die Hunde aufscheuchte.
Cherry Lopez war vierundzwanzig, aber so klein und drahtig, dass sie häufig für einen Teenager gehalten wurde. Das kurz geschorene Haar trug sie blauschwarz gefärbt. Ein Schlangentattoo lief von ihrem Knöchel das eine Bein hinauf, wand sich um ihren Oberschenkel und zog sich dann von der einen Hüfte über die Rippen. Dort rankte es sich um eine Brust, wanderte weiter bis zum Hals und endete schließlich hinter dem Ohr, wo ein Vipernkopf die Zähne in sein Opfer schlug.
Der Stab schepperte gegen den Zaun. »Gute Hundchen. Ich hab eine Überraschung für euch.«
Und da kamen sie. Die beiden Dobermänner rannten in der Dämmerung mit flach angelegten Ohren über den Rasen. Cherry hatte mittlerweile das Tor am Ende der Einfahrt erreicht, und die Hunde warfen sich mit gefletschten Zähnen kläffend dagegen. Der Lärm fiel ihr auf die Nerven. Die Tiere waren größer, als sie erwartet hatte. Bösartig wirkende Geschöpfe.
Sie hatte überhaupt keine Lust zu dieser lästigen Aktion. Eigentlich hätte sie gar nicht hier sein dürfen, aber beim Museum war ihr Zeitplan wegen der Frau in Pink und dem Kerl auf Rädern durcheinandergeraten. Faktoren, mit denen sie nicht gerechnet hatte. Die Frau hatte eine große Klappe gehabt, aber das war nicht das eigentliche Problem. Der Plan hatte einfach seine Schwachstellen, daran führte kein Weg vorbei. Aber sie wusste, was mit ihr passieren würde, wenn sie zu diesem Zeitpunkt einen Rückzieher machte.
»Hier, Bello.«
Sie steckte den Stab durch das Tor. Einer der Hunde stürzte sich darauf und packte ihn mit den Zähnen. Cherry drückte den Knopf. Das Tier zuckte und stürzte zu Boden.
Der zweite Hund bellte weiter und warf sich wieder und wieder gegen das Tor. Mann, ging ihr das auf den Keks. Oben im Haus leuchtete ein Fenster auf. Cherry warf einen Blick über die Schulter. Am unteren Ende der Einfahrt wartete die Corvette. Drinnen glühte ein roter Punkt, eine Zigarette oder vielleicht ein Joint. Mickey behielt sie im Auge. Sie musste den Job jetzt zu Ende bringen, sonst würde es sie teuer zu stehen kommen.
Sie stieß den Stab erneut durch das Metallgitter und traf den zweiten Hund an der Brust. Er jaulte, zitterte und brach zusammen.
So, endlich war Ruhe. Schon viel besser.
Sie musterte den Stab. Dreihunderttausend Volt für nur vierundsechzig Dollar neunundneunzig. Nicht schlecht. Im Internet gab es wirklich alles. Am besten war, dass sie mit Cal Diamonds eigener Kreditkartennummer bezahlt hatte. Die Wunder der Technik.
Sie griff in ihre hintere Tasche und zog den Umschlag heraus.
Diamond würde sich in die Hose machen, wenn er die Fotos sah. Sie ließ ihn durch das Gitter fallen und drückte die Klingel neben dem Tor. Mit einem letzten Blick auf die betäubten Hunde wandte sie sich zum Auto.
Als sie einstieg, roch es nach Marihuana. Mickey saß am Steuer und trug immer noch den albernen Zorro-Hut. Ein Zorro mit langen blonden Haaren. Super! Er inhalierte und ließ den Rauch tief in die Lungen dringen.
»Erledigt!«, sagte sie.
Mickey blies den Rauch aus, drehte sich um und verpasste ihr mit der flachen Hand eine Ohrfeige.
»Du hast die Videokamera am Tor nicht abgeklebt.«
Mist! »Vergessen. Die Hunde haben so laut gekläfft und …«
Er schlug sie erneut. Ihre Finger krallten sich um den Betäubungsstab und lösten sich wieder. Nicht jetzt. Es lohnte sich nicht, eine Bestrafung zu riskieren.
Er ließ die Corvette an. »Aber wen interessiert das schon? Es geht schließlich um deinen Kopf.«
Cherry sah ihn an. »Um deinen doch auch.«
»Irrtum.« Er legte den ersten Gang ein. »Du bist auf Video. Ich war gar nicht hier.«
3. Kapitel
Als mich ein sehr besorgt wirkender Jesse zu Hause absetzte, wölbte sich über den Bergen der Sternenhimmel. Ich ging durch das Tor zu meinem kleinen Haus am Ende des weitläufigen Gartens. In dem viktorianischen Haus vorn an der Straße wohnen meine Freunde Nikki und Carl Vincent. Es ist ein angenehmes Viertel in der Nähe der Mission Santa Barbara. Hier gibt es viele alte Häuser, üppigen Oleander und immergrüne Eichen. Der Duft von Sternjasmin und der Lärm spielender Kinder erfüllen die Luft. Trotzdem fühlte ich mich mutlos und unruhig.
Durch das Küchenfenster der Vincents sah ich Carl an der Spüle stehen und Babynahrung von seinem Nadelstreifenhemd putzen. Die
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