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Rachsucht

Titel: Rachsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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Stunde später stieg ich in meinen Explorer und fuhr zu Diamond Mindworks. Ich trug einen kakifarbenen Rock, eine türkisfarbene Bluse und leichte Halbschuhe. Schluss mit der Verkleidung. Die Go-Go-Stiefel würden im Müll landen.
    Die Firma hatte ihren Sitz in Goleta, einem sich endlos hinziehenden Vorort, in dem sich die Hightechunternehmen der Gegend angesiedelt hatten. Der Wind trug den Geruch des Salzwassers vom Marschland an der Küste herüber. Ein anfliegender Jet funkelte in der Sonne. Hinter der Landebahn thronte auf der Steilküste über dem Pazifik
die University of California Santa Barbara, meine Alma Mater.
    Der Jet schaltete die Schubumkehr ein und landete mit dröhnenden Triebwerken. Ich steuerte an importierten Kokospalmen vorbei in ein Gewerbegebiet. Diamond Mindworks war in einem weißen Gebäude mit blau getönten Glasfronten und elegant geschwungenen Linien untergebracht. Es erinnerte stark an ein Kreuzfahrtschiff, das durch den Rasen pflügte.
    Ich bremste. Vor dem Eingang stand ein Krankenwagen.
    Nachdem ich mein Auto abgestellt hatte, marschierte ich in die Lobby – und blieb wie angewurzelt stehen. Die Rezeptionistin hing über der Empfangstheke und schluchzte ins Telefon.
    »… gerade eben, oh Gott … direkt hier im Büro …«
    Ich hielt die Ladung fest umklammert.
    »… nein, ohne jede Vorwarnung. Als sie ins Zimmer kam, war er …«
    Sie sah auf. Ihr rundes Gesicht war mit Wimperntusche verschmiert, das Haar völlig zerrauft. Laut dem Schild auf der Theke hatte ich die Ehre mit Miss Amber Gibbs.
    »Ich möchte …«, begann ich.
    »Wir haben hier einen Notfall. Kommen Sie bitte später wieder.«
    Das klang, als wäre jemand gestorben, aber ich wollte mich nicht abwimmeln lassen.
    »Ich soll was für Mr. Diamond abgeben.«
    Ein Sanitäter mit einem schweren Ausrüstungskoffer stürzte in die Lobby. Da im selben Augenblick das Telefon klingelte, und Miss Gibbs ablenkte, heftete ich mich an seine Fersen. Ich hörte die Rezeptionistin rufen, ließ mich aber
nicht bremsen. Hinter einer Ecke lief ich in eine Menschentraube.
    Alle starrten auf eine Bürotür. Cal Diamond stand auf dem Namensschild aus Messing.
    »Habt ihr das gehört?«, fragte ein Mann neben mir. »Es hat furchtbar gekracht.«
    »Mein Gott, hat die geschrien«, sagte eine Frau und schüttelte den Kopf. »Ich hätte nie gedacht, dass mir Mari Diamond mal leidtun würde.«
    Eine düstere Vorahnung befiel mich. Mir wurde klar, dass ich meine Ladung auch diesmal nicht zustellen würde.
    Die Bürotür öffnete sich, und die Menge verstummte. Zwei Sanitäter traten heraus. Sie schoben eine Rolltrage an mir vorbei, auf die ein kahlköpfiger Mann in den Fünfzigern geschnallt war. Buschige Augenbrauen hingen über der Sauerstoffmaske, die das wachsbleiche Gesicht bedeckte.
    »Bitte gehen Sie nach Hause«, sagte eine Frauenstimme. »Wir schließen das Gebäude.«
    In der Bürotür erschien Mari Diamond. Sie trug ein Kostüm in Rosa und Neongrün und hielt einen Chihuahua unter dem Arm.
    Niemand rührte sich, nur das Hündchen wand sich in ihrem Griff und vibrierte dabei wie eine Stimmgabel.
    »Tun Sie mir den Gefallen. Bitte!«
    Sie wirkte wie eine Blumenvase auf Stilettos. Als sich die Menge aufzulösen begann, entdeckte sie mich. Ein unnatürlicher Glanz glomm in ihren Augen auf, und ihr Mund wurde hart.
    Sie deutete auf die Ladung. »Geht’s um den Prozess?«
    Die Leute drehten sich nach uns um.
    »Und?« Sie kam auf mich zu.

    »Ja«, erwiderte ich.
    Sie schlug mir so heftig ins Gesicht, dass ich Sternchen sah. Meine Wange brannte wie Feuer.
    »Ihretwegen hatte Cal einen Herzanfall«, sagte sie. »Sie hätten ihn fast umgebracht.«

4. Kapitel
    »Das darf doch nicht wahr sein!« Jesse pfefferte seinen Stift auf den Schreibtisch.
    »Direkt auf die Intensivstation«, sagte ich. »Es ist noch nicht raus, ob er überleben wird.«
    Er presste die Finger gegen die Nasenwurzel. Hinter ihm strömte das Sonnenlicht durch das Fenster seines Büros. Die Berge leuchteten in der Hitze strahlend grün unter dem blauen Himmel.
    »Armes Schwein«, sagte er.
    Er rief nach seiner Chefin, die gerade an seinem Büro vorbeiging.
    »Lavonne, Cal Diamond hat einen Herzanfall gehabt.«
    Lavonne Marks war eine echte Glucke und sprach mit einem Akzent, der so unverkennbar Philadelphia war, dass einem die Ohren wehtaten. An der Uni hatte sie sich durch ihre politische Radikalität hervorgetan. Deswegen lief Sanchez Marks jetzt unter dem Spitznamen

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