Radau im Reihenhaus
erwiderte er mit der Konsequenz eines Fünfjährigen, für den es keine Alternative zu doof oder nicht doof gibt.
Ein eigenes Haus sollte man haben, grübelte ich, mit Garten drumherum, den nächsten Nachbarn fünfhundert Meter weit weg, und wenn er außerdem noch schwerhörig wäre, würde das auch kein Fehler sein. Man sollte im Lotto gewinnen oder wenigstens einen reichen Vater haben. Ein Erbonkel täte es auch, aber ich habe ja nicht mal einen ganz gewöhnlichen. Lotto spielen wir auch nicht – wo sollte also das Geld für ein Eigenheim herkommen?
Rolf verdiente zwar als Werbeberater nicht nur die Brötchen, sondern auch noch die Butter dazu, aber andererseits bewies er auch die Richtigkeit jener Statistiken, nach denen die Durchschnittsfamilie mehr ausgeben könnte, als sie einnimmt – und das zumeist auch tut. Wir würden also vorläufig in unserer Vierzimmerwohnung bleiben, Frau Schmidt weiter ertragen und unsere Kinder zum Flüstern erziehen müssen, was zumindest bei Sascha ein aussichtsloses Unterfangen wäre. Er redete sehr viel. Und sehr laut. Und wenn man nicht sofort antwortete, brüllte er. Nach Rolfs Ansicht war er prädestiniert für eine Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr.
Rolfs anfängliche Begeisterung für seine Rolle als Vater zweier Söhne war im Laufe der letzten Jahre merklich geschwunden. Seinen Erstgeborenen hatte er noch stolz im Kinderwagen spazierengefahren, hatte ihn gebadet und angezogen (»Ist doch ganz einfach! Sieh zu, daß du einen Knopf zu fassen bekommst, und warte dann, bis das Knopfloch erscheint!«), den ersten Zahn in Postkartengröße fotografiert und mit mir gewettet, daß Svens erstes Wort »Papa« und nicht etwa »Mama« sein würde (es war »Auto«). Er hatte die ersten Gehversuche seines Sohnes überwacht, freiwillig auf die Skatrunde verzichtet, um Svens Dreirad zu reparieren, und sämtliche Spielwarenverkäufer zur Verzweiflung getrieben. »Lehrreich? Was lehrt es denn, außer daß man heute für zehn Mark nicht viel bekommt!«
Als Sascha geboren wurde, entdeckte Rolf plötzlich, daß Brutpflege wohl doch eine überwiegend weibliche Tätigkeit sei und er außerdem genug damit zu tun habe, eben diese Brut zu ernähren. Das hinderte ihn aber nicht, stolz von »meinen Söhnen« zu reden, wenn sie von Gelegenheitsbesuchern bewundert wurden, und sie als »deine Bengels« zu apostrophieren, sobald sich Frau Schmidt wieder einmal lautstark bei ihm beschwert hatte.
Am Abend dieses Tages hießen sie ausnahmsweise einmal »unsere Kinder«.
»In einem Fünf-Familien-Haus können sich unsere Kinder wirklich nicht richtig entwickeln. Sie brauchen Freiraum, und sie brauchen die Möglichkeit, sich individuell zu entfalten«, dozierte Rolf, der sein vorangegangenes Lamento wegen der demolierten Lampe offenbar schon wieder vergessen hatte. Da war von »hemmungslosem Zerstörungstrieb« die Rede gewesen und nicht von Individualismus.
»Was hältst du von einem Umzug nach außerhalb? Ich habe da etwas an der Hand. Reihenhaus in einer Neubausiedlung am Stadtrand.«
»Am Stadtrand von Düsseldorf?« fragte ich verblüfft, denn diese Gegenden waren dem Geldadel vorbehalten und fest in Industriellenhand.
»Natürlich nicht«, dämpfte Rolf meinen Optimismus, »aber gar nicht so weit weg davon. Der Ort heißt Monlingen und liegt an der Strecke nach Opladen.«
»Aha! Und wo liegt Opladen?«
»In Richtung… Du hast aber von Heimatkunde auch nicht die geringste Ahnung!« Rolf erhob sich kopfschüttelnd und suchte im Bücherschrank nach dem Autoatlas. Er schlug eine schon etwas zerknitterte Seite auf und wies mit dem Finger auf ein winziges Pünktchen. »Das ist Monlingen. Und etwa hier« – der Finger wanderte noch einen Zentimeter westwärts – »steht die Reihenhaussiedlung.«
»Also so eine Art Grüne-Witwen-Getto?«
»Blödsinn! Eine ganz normale Neubausiedlung mitten im Grünen.«
»Wie grün?«
»Was soll das heißen, wie grün? Vermutlich mit Büschen und Bäumen, weil die Gärten noch nicht angelegt sind.«
»Auf gut deutsch heißt das also, du hast dieses Dorado noch gar nicht gesehen?«
»Nur auf dem Bauplan, aber es ist genau das, was wir brauchen! ‹ Nun gehen unsere Meinungen über ›das, was wir brauchen«, meist ziemlich auseinander. Als wir unsere erste Polstergarnitur kauften, begeisterte Rolf sich für sandfarbenen Velours, während ich für dunkelbraunes Leder plädierte. Sven war damals gerade ein Jahr alt!
Steht die Anschaffung eines Schrankes zur
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