Radau im Reihenhaus
Strümpfe mit dem Loch anhast, aber ich?« Der Lehm begann zu trocknen und zu bröckeln, und meine Füße sahen aus wie Fresken. »In diesem Aufzug kann ich unmöglich…«
Die Tür öffnete sich. Es erschien eine Hand mit einem Wassereimer, darüber hing ein Handtuch, und schließlich tauchte auch der Besitzer von beidem auf. Es handelte sich um einen großen schlanken Mann um die Vierzig, der mich fröhlich angrinste.
»Det kenn’ wa schon, und drum sind wa ooch uff so ‘ne Zwischenfälle einjerichtet. Wasser jibt’s vorläufig noch jratis, weil die Uhren noch nich anjeschlossen sind.«
Während ich meine Füße nacheinander in den Eimer tauchte, beeilte sich Rolf, die gesellschaftlichen Formen zu wahren.
»Mein Name ist Sanders. Ich glaube, wir haben gestern miteinander telefoniert.«
»Obermüller. Anjenehm«, sagte Herr Obermüller und reichte mir seinen Arm, weil ich wie ein Storch auf einem Bein herumstelzte. »Nu komm’ Se erstmal rin, und denn jehn wa hintenrum, weil det da noch am trockensten is. Ick hab schon zigmal Krach jemacht bei die Bauleitung, damit die wenigstens mal’n paar Bretter hier hinlejen, aber bis jetzt is noch nischt passiert. Am besten schicken Se den Brüdern Ihre versauten Schuhe und verlangen Ersatz, denn wern die vielleicht uffwachen. Dabei is det ja jetzt noch janischt. Sie müssen det mal sehn, wenn et zwee Tage lang jeregnet hat. Ohne Jummistiebel is da überhaupt nischt zu machen. Am besten welche bis zum Knie. Ick stell meinen Wagen ooch immer vorne neben die Scheune ab. Zweemal hat mich der Bauer schon aus’m Matsch ziehn müssen, vom drittenmal ab kostet’s wat, hat er jesacht.«
Herr Obermüller führte uns ins Wohnzimmer und machte uns mit Frau Obermüller bekannt, einer sympathischen Mittdreißigerin, die bereits eine Kognakflasche schwenkte. »Zum Aufwärmen«, wie sie versicherte. Also wärmten wir uns auf, und während wir das taten, erklärte mir Herr Obermüller, daß er im Augenblick die Rolle eines Beschließers spiele und etwaigen Interessenten die noch vakanten Häuser zeige.
»Die Hälfte is nu schon vakooft, aber die meesten Besitzer woll’n ja weitervermieten, und von denen habe ick die Schlüssel. Wenn ick richtich verstanden habe, reflektieren Sie uff die Nummer vier. Is’n Eckhaus, jenau wie det hier. Is zwar’n bißken windig, aber dafür haben Se bloß uff eener Seite Nachbarn, und det jenücht ooch schon. Wir hab’n welche, die een ziemlich lautstarkes Familienleben führn. Jott sei Dank sind se bloß abends da, weil se in Düsseldorf een Friseurjeschäft hab’n, aber die Stunden von sieben bis Mitternacht sind immer mächtig bewegt.«
»Nun übertreib aber nicht, Hans«, unterbrach ihn Frau Obermüller lachend. »Mindestens zweimal pro Woche sind sie eingeladen.«
»Det stimmt. Denn jeht der Krach erst um Mitternacht los. Ick weeß nich, warum die beeden überhaupt jeheiratet hab’n. Sie wirft ihm immer vor, det se wat viel Besseres hätte kriejen können, und er schreit denn, det er se bloß aus Pflichtbewußtsein jenommen hat. Ick bin bloß noch nich dahinterjekommen, worin nu eijentlich die Pflicht besteht.«
»Was wohnen denn sonst noch für Leute hier?« fragte ich verschüchtert, denn die Bewohner von Nr. 2 schienen nicht gerade das zu sein, was man sich als Nachbarn wünscht.
»Wir kennen sie auch noch zu wenig«, sagte Frau Obermüller, »die meisten sind erst vor kurzem eingezogen. Wittingers aus Nummer drei wohnen seit vorgestern hier. Junges Ehepaar mit einer zweijährigen Tochter. Er arbeitet auf dem Flugplatz in Lohausen, Verwaltung oder so ähnlich. Es heißt, daß er sechs Richtige im Lotto hatte und sich daraufhin das Haus kaufen konnte. Möglich ist es, denn die ganze Einrichtung kam direkt vom Möbelgeschäft. Alles nagelneu.«
»Wie lange wohnen Sie denn schon hier?« wollte Rolf wissen.
»Wir warn die ersten. Det war so kurz nach Ostern. Denn kamen die Missionare aus Nummer sieben, die hab’n sich von ihrem Ersparten det Haus als Alterssitz jekooft, und denn is der Tropendoktor in Nummer neun einjezogen. Oder warn die Vogts von zehn schon früher da?«
»Nein, die sind nach Dr. Brauer gekommen. Vorher sind noch die Damen in Nummer zwölf eingezogen.«
»Ach richtig, die beeden komischen Schachteln.« Herr Obermüller schüttelte den Kopf. »Die treten nur als Duo uff. Ick hab noch nich eenmal erlebt, det die jetrennt det Haus valassen. Die eene schwimmt immer im Kielwasser von die andre. Wovon die eij
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