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Radio Heimat

Radio Heimat

Titel: Radio Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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unserer Puma-Turnschuhe auf den weißen Fliesen immer wieder festpappten. Wenigstens wurde man nicht von Michael Holm angegrinst, während man versuchte, seine schon bei den ersten Takten irgendeiner Schnulze in Sekundenbruchteilen ausgeklappte Erektion zu verbergen und trotzdem mit der Wange nah genug am Gesicht der Partnerin zu bleiben, falls sie spontan auf die Idee käme, einen dorthin zu küssen. Sicher hätte man auch nichts dagegen gehabt, hätte sie einem die Hände auf den Hintern gelegt, um besagte Erektion an sich zu drücken, und dann wäre es auch egal gewesen, wer dazu gegrinst hätte, aber so was passierte ja nicht mal im Bravo-Fotoroman.
    Die dritte Art des Partykellers gab es bei Nicole zu bewundern, die mit ihren Eltern (Vater selbstständiger Versicherungskaufmann, der sich das Büro von seiner Frau führen ließ) in einem Mietshaus in Wiemelhausen wohnte. Hier wurde einfach das familiäre Kellerabteil leer geräumt, was immer eine Heidenarbeit machte, sodass Nicole eher selten Partys gab. Dafür war es dann aber auch schön eng, was dem eigentlich Zweck der Zusammenkünfte, nämlich der körperlichen Annäherung zwischen den Geschlechtern, Vorschub leistete. Da die Hausgemeinschaft einigermaßen entspannt war, durften im Kellergang die Tische mit den Frikadellen und den Nudelsalaten aufgebaut werden. Und auch ein oder zwei Sofas, auf denen man sich vom Tanzen ausruhen und wie zufällig (weil die Dinger aber auch total durchgesessen waren) auf das Ziel seiner Wünsche zurutschen konnte. Wobei »rutschen« auch noch das falsche Wort ist. Man sollte eher von »Zielräkeln« sprechen.
    Stimmung kam in die Bude durch eine aus heutiger Sicht steinzeitliche »Lichtorgel«, deren drei Lampen rot, gelb und grün blinkten, wenn auch nicht unbedingt im Takt der Musik. Die wiederum kam aus einer bemerkenswert teuren Anlage, bestehend aus Dual-Plattenspieler, Denon-Verstärker und Yamaha-Boxen, die Nicoles Vater zur Verfügung stellte, um einerseits anzugeben wie ein Teenager und um andererseits einen Grund zu haben, ständig im Keller aufzutauchen, um sich zu versichern, dass der Edel-Anlage nichts passierte.
    Mücke gefiel das nicht. »Ich glaub«, sagte er mal bei einer solchen Gelegenheit, »ich pinkel ihm mal in seine teuren Boxen, dann hat er wenigstens einen Grund, so doof zu gucken.«
    Glücklicherweise nahm Mücke davon dann doch Abstand und inspizierte dafür die aus dem Keller ausgelagerten Kisten und Kartons, in denen er dann auch auf ein paar alte Familienfotos stieß, die Nicoles Eltern als Anhänger der Freikörperkultur outeten. »Guck dir das an!«, schwärmte Mücke. »Ich würde sagen, du hältst dich an die Tochter und ich mach mal die Mutter klar. Bei dem Schrumpel-Eumel ihres Gatten hat die Frau seit Jahren keinen Spaß mehr gehabt.«
    Partys fanden eigentlich ständig statt. Manche in solchen Kellern, andere in Garagen, in Gemeindezentren, beim BdkJ, in Versammlungsräumen der SPD, in der Pausenhalle der Schule, dem elterlichen Schrebergarten oder am Kemnader Stausee. Aber so richtig stilecht waren sie eigentlich nur im Salon des kleinen Mannes.
     

Gartenamt
    Da wir zu Hause nicht mal einen Balkon hatten, wurden auch meine Eltern irgendwann zu Jüngern Schrebers. Da war ich aber schon dreizehn oder vierzehn, und das Beste am Schrebergarten meiner Eltern war die Tatsache, dass ich am Wochenende dann meistens sturmfreie Bude hatte, weil sie nicht selten nach ausgiebigen Geselligkeiten gleich dort übernachteten.
    Weder mein Vater noch meine Mutter hatten den »grünen Daumen«, deshalb war Nachbar Theo für sie so wichtig. Der wusste, wann man welche Blumenzwiebel in der Erde versenkte, wann man welchen Strauch zu beschneiden hatte und ab welcher Halmlänge das Gras anfing, sich unwohl zu fühlen. Mein Vater revanchierte sich mit bisweilen halblegalen Elektroinstallationen, Aushub- und Maurerarbeiten.
    »Nä«, meinte Theo noch viele Jahre später, als ich meine Eltern schon nicht mehr fragen konnte, »der geborene Gärtner war dein Vatta nich. In nem Zeuchnis hätte man geschrieben, er war immer stets bemüht, und wir wissen ja, datt datt heißt, er hatte kein Plan von nix, is abba wenichstens nich frech geworden. Und einen guten Gastgeber isser gewesen, da kann man nix sagen. Da war immer genuch zu trinken da und deine Mutter hatte Salate gemacht, die man essen konnte, also da lass ich nix drauf kommen.«
    Ich erinnere mich, ab und an dabei gewesen zu sein. Deutschsprachiges Liedgut

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