Rächer des Herzens (German Edition)
sich auf dem Anwesen Lady Janes befand. Er war tief betroffen gewesen und nur noch vom Wunsch beseelt, im Schlaf alles zu vergessen. Stattdessen hatte er einen jungen Burschen auf frischer Tat ertappt, wie er in das Gemach seiner verstorbenen Frau eingebrochen war. Bei dem Versuch zu entkommen hatte der Junge eine Lampe umgestoßen. In Sekundenschnelle hatten die Gardinen wie auch die Kleidung des Jungen Feuer gefangen. Lichterloh brennend war der Junge aus dem Fenster gesprungen.
Die Nacht verlief wie ein entsetzlicher Albtraum.
Er sah immer noch das Bild des Jungen vor sich, wie er auf dem Kiesweg lag: eine kleine, zusammengekrümmte Gestalt, gerade einmal elf Jahre, zu jämmerlich, als dass man ihn als einen Verbrecher ansehen konnte. Als Marcus den Jungen erreicht hatte, fürchtete er, dass er tot sei, aber der Junge lebte und schien vor Schmerzen halb wahnsinnig. Er hatte die Augen offen und wiederholte immer wieder den Namen Warwick , wie eine Beschwörungsformel. Marcus sprach ihn sanft an, was er damit meine, worauf der Junge murmelte: „Mr. Warwick hat mich geschickt, um das zu finden, was von Rechts wegen ihm gehört.“ Und dann wurde er bewusstlos.
Marcus rief umgehend den Arzt, der sich noch auf Salterton Hall befand, und übernahm auch die Kosten der Behandlung. Er fühlte sich auf unerklärliche Weise schuldig an den Verletzungen des Jungen, als wäre er für dessen Situation verantwortlich. Der Junge war der Sohn eines der Einwohner von Salterton. Er wurde nach Hause gebracht und gepflegt. Seine Leute versuchten, Marcus davon zu überzeugen, dass ihr Sohn ein guter Junge sei und sie nicht verstünden, wieso er so etwas getan hatte. Man merkte ihnen an, dass sie ratlos und in großer Verlegenheit waren. Marcus sah trotz der Einwendungen vonseiten des Konstablers von einer Anzeige ab. Und ein paar Wochen später erfuhr er dann, dass der Junge weggelaufen war, obwohl er durch seine Verletzungen noch gefährlich geschwächt war. Seine Eltern zogen sich immer mehr zurück und waren nur noch Schatten ihres früheren Selbst. Sie hatten einen guten Ruf genossen und ihren Platz in der Gesellschaft gehabt, wurden nun jedoch immer unzugänglicher. John Channing arbeitete weiterhin in seiner Schuhmacherwerkstatt, war aber unfreundlich und mürrisch. Mary nahm Wäsche an, aber beteiligte sich nicht mehr an dem üblichen Dorfklatsch ihrer Nachbarn. Und wenn Marcus die Leute besuchte, sah er recht bald, dass seine Anwesenheit sie nicht tröstete.
Das war der Zeitpunkt, an dem Marcus sich dazu entschloss herauszufinden, wodurch Edward Channing so irregeleitet worden war. Er wollte die Identität des geheimnisvollen Drahtziehers offenlegen, der den Jungen dazu getrieben hatte, Marcus’ Haus zu durchsuchen und niederzubrennen. Er musste herausbekommen, wonach Edward gesucht hatte.
Und es gab noch ein anderes Geheimnis. Am Abend ihres Todes hatte Lady Jane Southern Besuch gehabt. Niemand hatte ihn das Haus verlassen sehen, und nach ihrem Tod vergaßen die meisten diesen Besucher. Aber Marcus hatte die ungewisse Vermutung, dass sein Erscheinen etwas mit Lady Janes Tod und auch mit dem Feuer zu tun hatte.
„Mr. Warwick hat mich geschickt, um das zu finden, was von Rechts wegen ihm gehört.“
Marcus hatte keine Ahnung, um was es sich dabei handeln mochte. Als einzigen Anhaltspunkt hatte er den Namen Warwick . Er unternahm seine Nachforschungen sehr vorsichtig, stellte keine direkten Fragen und zog überhaupt so wenig Aufmerksamkeit auf sich wie irgend möglich.
Erst als er sich an den Innenminister Lord Sidmouth gewandt hatte, entdeckte er die Verbindung zum Fleet-Gefängnis. Sidmouth zeigte sich äußerst interessiert an Warwick und dessen Machenschaften. Wie der Innenminister gesagt hatte, war der Mann ein führender Kopf in der kriminellen Szene, der seine Helfershelfer aus den Reihen jener verzweifelten Schuldner rekrutierte, die das Fleet bevölkerten. Der Innenminister hatte Marcus stillschweigend erlaubt, seine Nachforschungen weiter zu verfolgen – diesmal innerhalb des Gefängnisses.
Alistair wartete geduldig, wobei sein Blick nachdenklich auf dem Gesicht seines Freundes verweilte. Außer dem Innenminister war er der Einzige, der von Marcus’ Suche nach Warwick wusste.
„Ich musste sehr vorsichtig vorgehen, um jeden Verdacht zu vermeiden“, fuhr Marcus jetzt fort. „Ich erwähnte beiläufig, dass ich von einem Feuer in einem großen Haus in Salterton und einer reichen Beute dort gehört hatte.
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