Raecher des Herzens
ihrer schnellen Atemzüge hob und senkte. Den Umhang aus schwerem, bronzefarbenem Satin hatte sie zurückgeworfen. Sein Futter in Rosa und Korallenrot reflektierte das warme Licht der Glut.
Olivier machte einen Schritt auf die Dame zu. Es sah aus, als wolle er sich schützend vor sie stellen. »Mademoiselle, ich bedauere ...«
»Lass sie in Ruhe.« Mit einer schnellen Handbewegung scheuchte Rio Olivier aus dem Zimmer. Dabei wandte er den Blick nicht von seiner Besucherin.
Olivier zog sich unter vielen Verbeugungen zurück. Seine Miene war undurchdringlich. Anders als sonst ließ er die Tür jedoch einen Spaltbreit offen stehen. Rio nahm es gelassen zur Kenntnis. Damen aus gutem Hause beeindruckten seinen schlanken und etwas dandyhaften Majordomo nun einmal. Er brachte ihnen Respekt, ja vielleicht sogar fürsorgliche Gefühle entgegen. Rio selbst war gegen derlei Anwandlungen weitgehend immun.
»Nun, Mademoiselle«, sagte er in überzogen freundlichem Ton, »was verschafft mir die Ehre?«
»Tiefe Sorge. Aber offensichtlich war sie umsonst«, antwortete die Dame knapp. »Wenn sich der viel gerühmte Silberne Schatten so auf ein Treffen im Morgengrauen vorbereitet, brauche ich mich wohl nicht um meinen Bruder zu ängstigen.«
Nun wusste Rio, wen er vor sich hatte, und wurde noch ärgerlicher. Mit den geschmeidigen Schritten ei-nes Raubtieres näherte er sich seiner Besucherin. »Mademoiselle Vallier, nehme ich an, wenn Denys Vallier Ihr Bruder ist?«
»Ganz recht, Celina Vallier.«
Als er noch näher trat, weiteten sich ihre Augen, doch sie wich nicht zurück. Eigentlich sprach das für sie, aber es stimmte Rio keinesfalls gnädiger. »Hat Denys Sie hergeschickt?«
»Nein!«
Rio blieb so dicht vor ihr stehen, dass er nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um sie zu berühren. »Dann sind Sie aus freien Stücken hier?«
»So ist es.«
Er studierte das trotzig in die Höhe gereckte Kinn und staunte über ihren festen Blick. Diese Frau verwirrte ihn. Vom Aussehen her entsprach Celina Vallier nicht dem derzeitigen Schönheitsideal. Gefragt waren Zuckerpüppchen mit drallen Rundungen, einem Schmollmund und rosigen Wangen. Aber Celinas feine Züge waren viel zu markant, um einfach nur süß zu wirken. Nach niedlichen Grübchen suchte man in diesem Gesicht umsonst. Besonders auffallend waren ihre ausdrucksvollen, weit auseinander stehenden Augen von der Farbe des goldenen Weins von Jirez. Rios Blick weidete sich an den hohen Wangenknochen und dem perfekten Schwung ihrer Lippen. Besonders anziehend machte diese Frau jedoch ihre Ausstrahlung, derer sie sich offenbar gar nicht bewusst war. Rio nahm an, dass Celina Vallier tatsächlich so unschuldig war, wie die Farbe ihres Kleides es symbolisierte. Wahrscheinlich kam sie direkt von einer Opernaufführung. In New Orleans war es üblich, die aussichtsreichsten Bewerber um die Hand heiratsfähiger junger Damen in den Familienlogen des Opernhauses zu empfangen.
Für Rios Geschmack war diese junge Frau ein wenig zu kühn. Er wusste nicht, ob er sie für ihren Mut bewundern oder verfluchen sollte.
»Offenbar kümmern die Konsequenzen Ihres Kommens Sie nicht.« Rio hatte einen vieldeutigen Unterton in seine tiefe Stimme gelegt.
»Die Konsequenzen?« Verwirrt sah Celina ihn an. »Ich wollte nur wenig von Ihrer kostbaren Zeit in Anspruch nehmen und Sie fragen, ob es wirklich notwendig ist, jemanden in Gefahr zu bringen, der sicher längst nicht so geübt ist wie Sie. Ich hoffte, es ergäbe sich eine Möglichkeit, das Duell abzusagen.«
Rio musterte die junge Frau abermals eingehend. Aufreizend langsam ließ er den Blick über ihr ovales Gesicht, den schlanken Hals und die weißen Schultern über dem tiefen Dekolletee gleiten. Die glatte, porzellanhelle, von zarten blauen Venen durchzogene Haut und die wohlgeformten Rundungen luden das Auge zum Verweilen ein. Als er Mademoiselle Vallier wieder ins Gesicht sah, bemerkte er, dass ihr die Röte in die Wangen gestiegen war. In ihren Augen las er Entrüstung. Das war gut so. »Heißt das, Ihr Bruder würde dem Duell gern fernbleiben?«
»Auf gar keinen Fall. Sie wissen so gut wie ich, dass man ihn einen Feigling nennen würde, wenn er es täte. Und wie ich schon sagte, er hat nicht vor ... er will...«
»Er weiß nicht, dass Sie hier sind. Und ich nehme an, Sie haben auch sonst niemandem davon erzählt.«
Celina schluckte. Das leichte Zucken in ihrer Kehle weckte in Rio den Wunsch, seine Lippen an dieser Stelle auf die
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