Raecher des Herzens
Prinzipien verstoßen und in Kauf nehmen, dass Ihr Ruf als Fechtmeister Schaden nimmt. Darum ging es Ihnen doch, oder etwa nicht?«
Damit hatte Rio nicht gerechnet. Tränen, flehentliche Bitten und Vorhaltungen hätte er verstanden. Aber dass Celina Vallier nun plötzlich bedingungslos kapitulierte, verwirrte ihn zutiefst.
»Nun? Wie lautet Ihre Antwort?«
»Wissen Sie, worauf Sie sich da einlassen wollen?«
»Sie haben es mir deutlich genug gesagt«, entgegnete Celina spitz. »Ich denke, ich verlange nichts Unmögliches. Ich will, dass Sie meinem Bruder nur eine blutende Wunde schlagen, die ihm keine übermäßigen Schmerzen bereitet. Auf keinen Fall sollen Sie ihn ernsthaft verletzen. Als Gegenleistung werde ich tun, was Sie verlangen.«
Branntwein und erhitztes Blut erwiesen sich einmal mehr als gefährliche Mischung. Rio konnte plötzlich seinen eigenen Herzschlag hören. Seine wildesten Instinkte regten sich und teilten sich binnen kurzem der Stelle unterhalb seines Hosenbundes mit. Es war unehrenhaft, das Opfer der jungen Frau anzunehmen, das wusste Rio. Eigentlich hätte er mit ein paar deutlichen Worten dafür sorgen müssen, dass Celina Vallier entsetzt das Weite suchte. Das wäre ihr gegenüber am an-ständigsten und für Rio selbst um einiges ungefährlicher gewesen als irgendein Handel, den sie miteinander schlossen.
Doch die richtigen Worte wollten sich nicht finden. Stattdessen nahm vor Rios geistigem Auge die Vision einer teuflischen Rache Gestalt an. Ihre Wirkung war viel perfider und auf lange Sicht zerstörerischer als ein simpler Stich ins Herz. Er musste lediglich die junge Dame zu seiner Geliebten machen, die sein Feind zu ehelichen gedachte. Dann würde dieser in der Hochzeitsnacht keine jungfräuliche Braut in seinem Bett vorfinden, sondern eine Frau, die möglicherweise sogar ein neues Leben in sich trug. Rios Kind würde zum rechtmäßigen Erben seines Feindes werden. Konnte es eine perfektere Rache geben? Rio musste dafür nur eines in die Waagschale werfen: seine Ehre.
Sollte er so weit gehen?
Konnte er das tun?
Wie im Traum ging er mit langsamen Schritten auf Celina Vallier zu. Er nahm ihre Hand, hob sie an die Lippen und berührte die zarte Haut über den Fingerknöcheln mit seinem heißen Mund. Dann legte er sich ihre schlaffen Finger auf die Schulter, umfasste ihre schlanke Taille und zog sie an sich. Das Gefühl der harten Korsage aus Walbein unter seiner Hand, der Druck der bauschigen Röcke an seinen Schenkeln stachelte Rio noch weiter auf. Celinas Duft, der ihn an sonnenwarme Rosenblüten erinnerte, stieg ihm zu Kopf. Ihrem anklagenden Blick wich er aus, indem er die Lider senkte und nur die weichen, bebenden Kurven ihrer feuchten Lippen betrachtete. Er kostete ihren süßen
Geschmack, sog das Gefühl der Weichheit, der verführerischen Unschuld in sich auf wie ein Verdurstender.
Sie wehrte sich nicht. Ein leiser Schauer ließ sie erbeben, dann stand sie reglos, von seinen Armen umfangen. Rio spürte keine Leidenschaft, kein Verlangen, das dem seinen glich, nur stumme Duldsamkeit und unterwürfiges Abwarten.
Das reichte ihm nicht. Er wollte sie seufzen hören, wollte, dass sie sich an ihn drängte und an ihm festhielt. Er wollte, dass sie sich nach ihm verzehrte - nicht mehr und nicht weniger. Wenn er für die Rache seine Seele verkaufen musste, war es nur gerecht, wenn auch sie es tat. Nur dann würde er zufrieden sein. Er wollte seinem Feind eine Frau in die Arme legen, die sich nach einem anderen verzehrte und im Bett ihres alternden Gatten nie Erfüllung finden konnte. Das wäre sein endgültiger Triumph.
Rio beendete den Kuss mit größter Zartheit und trat einen Schritt zurück. »Nicht jetzt«, sagte er heiser. »Erst nach dem Duell.«
»Was dann?«
»Dann werde ich zu Ihnen kommen, denn bis dahin wissen Sie, dass ich Wort gehalten habe.« Genau so würde er es halten. Mochte der Himmel ihm verzeihen. Wie es dann weitergehen sollte, wusste der Teufel allein.
Celina berührte ihre Lippen mit den Fingerspitzen und sah Rio mit großen Augen an. Er bemerkte, wie blass sie geworden war. »Bitte, ich ...«
»Sie brauchen sich nicht zu fürchten«, sagte er leise. »Niemand wird davon erfahren. Ihr ehrbarer Name ist nicht in Gefahr. Auch das verspreche ich Ihnen.«
»Gut.« Ihre Stimme war zu einem kaum hörbaren Flüstern geworden.
Rio fasste Celina am Arm, führte sie aus dem Zimmer und in den Vorraum, wo Olivier und die Zofe warteten. Dann sah er zu, wie die
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