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Räuberbier

Räuberbier

Titel: Räuberbier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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mindestens zwei Stunden in der Kälte ausharren willst?«
    Das Argument überzeugte. »Hast ja recht, Reiner, wir passen halt auf.«
    Aufpassen war immer gut. Der Schlüssel passte, die Tür öffnete sich und auf mein mehrfach geschrienes ›Hallo, ist hier jemand?‹ antwortete keine Menschenseele. Jutta war nochmals zu ihrem Wagen zurückgegangen und warf mir nun ein Paar Einmalhandschuhe zu. Wegen meiner Fingerabdrücke auf der Eingangstür machte ich mir keine großen Gedanken.
    Mir war gleich klar, dass es sich um eine Junggesellenwohnung handelte. Kein Nippes, keine Pflanzen oder keine sonstigen dekorierenden Elemente verunstalteten das mir so angenehm minimalistische Prinzip des Wohnens: Schlafen, Essen, Körperpflege, Wohnzimmer mit Couch. Mehr brauchte man nicht. Jedenfalls, wenn man alleine wohnte. Die totale Aufgeräumtheit der Wohnung zog unsere Blicke sofort magisch auf die berühmte regelbestätigende Ausnahme: Im Wohnzimmer, im Besonderen auf der Couch und in deren Umgebung, musste ein Kampf stattgefunden haben. Blutflecken hatten das bräunliche Leder noch dunkler gefärbt. Der Geruch geronnenen Blutes lag in der Luft. Dennoch, die Menge hielt sich in Grenzen. Jutta bückte sich, um unter der Couch nachzuschauen. Zufrieden lächelnd zog sie kurz darauf den fehlenden Schuh ans Tageslicht.
    »Was meinst du?«, fragte mich Jutta. »Schönhausen wurde auf der Couch festgehalten, vielleicht sogar gefesselt. Den Blutflecken nach, könnte er hier auch tätowiert worden sein.«
    Auch wenn mir der Anblick von Blut normalerweise nichts ausmachte, der Geruch schon. Mit einem Kloß im Hals ging ich zum Fenster und öffnete es.
    »Ich geh mal nebenan ins Schlafzimmer«, sagte ich, um eine dringend benötigte Luftveränderung zu realisieren. Ich stand keine Sekunde im Schlafzimmer, da vernahm ich, wie Jutta das Wohnzimmerfenster wieder schloss. Vermutlich hatte sie in dem Zusammenhang auch die Heizung mindestens auf Maximum gestellt.
    In einem Kleiderschrank fand ich die persönlichen Papiere von Schönhausen. Diesen entnahm ich, dass er 32 Jahre zählte und weder verheiratet war noch Kinder hatte. Beschäftigt war er als Assistenzarzt in einer Mannheimer Klinik. Sein Reisepass offenbarte mir, dass er sehr viel in der Weltgeschichte herumreiste. Die meisten Stempel konnte ich aufgrund der asiatisch anmutenden Schriftzeichen nicht entziffern. Ein Regalfach tiefer lag ein großer Karton, der mit Arzneimitteln bis zum Rand gefüllt war. Meine Stichproben ergaben, dass es sich um Antibiotika und andere verschreibungspflichtige Mittel handelte. Die Vermutung lag nahe, dass Schönhausen einen kleinen privaten Handel mit Medikamenten in eigener Regie laufen hatte. Meine Logik verneinte aber die Frage, ob dies etwas mit seinem Tod zu tun haben könnte. Zu offensichtlich stand der Karton im Schrank. Die Täter hätten ihn mit Sicherheit in kürzester Zeit gefunden, wenn sie danach gesucht hätten. Ich ließ das Zeug stehen und verließ das Schlafzimmer. Jutta arbeitete in der Küche. Als ich bei ihr auftauchte, meinte sie sarkastisch: »Bist du sicher, dass du ihn nicht persönlich kanntest?«
    Auf meine fragende Miene antwortete sie: »Da sieht’s aus wie bei dir zuhause, als Stefanie noch in Ludwigshafen wohnte.«
    Ich sah mich um und verstand. Der Backofen war eindeutig jungfräulich, die dazugehörige Herdplatte wies nur wenige Gebrauchsspuren auf. Die vorhandenen Nahrungsmittel waren in meinen Augen untypisch für einen Arzt und passten nicht zu der doch recht sportlichen Erscheinung des Opfers.
    »Ich kann weder Obst noch Gemüse finden«, stellte Jutta fest. »Nur massenhaft Süßkram. Davon kann doch kein Mensch leben!«
    Zum Glück hatte sie die letzte Feststellung nicht als Frage formuliert.
    Ich versuchte, sie abzulenken. »Hast du bereits in den Hängeschränken nachgeschaut?«
    »Mach du mal«, war ihre Antwort.
    Kaffee. Ganz viel Kaffee. Dutzende Pakete standen akkurat aufgereiht in den Schränken. »Ob der Kaffee geschmuggelt hat?«, grübelte ich. »Wie viel darf man davon eigentlich legal besitzen?«
    Jutta, als Starkkaffeetrinkerin, überraschte die Menge ebenfalls. »Wenn er legal im Inland gekauft wurde, darfst du unbegrenzte Mengen horten. Aber das macht für einen Singlehaushalt überhaupt keinen Sinn. Selbst wenn er das Zeug jeden Tag zum Frühstück löffelte, steht in den Schränken ein Fünfjahresbedarf. Das geht doch mit der Zeit alles kaputt.«
    Sie nahm eines der Päckchen aus dem Schrank.

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