Räuberbier
sich genommen? Der Park ist sonntags ziemlich gut besucht. Da kann man nicht einfach eine Leiche reinschleppen und an die Sonnenuhr binden. Das muss doch jemandem auffallen.«
»Anscheinend nicht, liebe Kollegin. Vielleicht liegt es an der Kälte.«
»Wie meinst du das?«
»Schau mal, Jutta. Wer geht bei diesem Sauwetter spazieren? Höchstens ein paar Verwegene, die jeden Tag eisern ihre Runde drehen. Ansonsten sind es nur Hundebesitzer, die ihren Pflichtspaziergang machen. Bei den Temperaturen warten die nur darauf, dass ihr Vierbeiner auf den Weg scheißt, damit sie schnell wieder heim ins Warme können. Was um sie herum passiert, bemerken sie nicht, da bin ich mir sicher.«
»Trotzdem ist es ein unnötiges Risiko für den Täter gewesen.«
»Klar, da gebe ich dir recht. Das Ganze muss meiner Meinung nach eine gewisse Symbolik haben. Die Symbolik ist aber weniger für das Opfer gedacht, denn das ist bekanntlich tot. Es muss sich also um eine Warnung für jemand anders handeln.«
Jutta nickte. »Ich glaube, du hast recht.«
»Ach, lass doch diese Selbstverständlichkeiten.«
»Was meinst du mit Selbstverständlichkeiten, Reiner?«
»Dass ich recht habe.«
Jutta zog eine Schnute. »Komm, lass uns zur Wohnung des Opfers fahren. Wie ich vermute, ist die Spurensicherung bestimmt noch nicht dort gewesen.«
Das war einen Tick zu laut gewesen.
»Hexen können wir nicht«, blökte der zweite der Spurensicherer, der gerade unmittelbar hinter Jutta zu tun hatte. »Ich kann mir Schöneres vorstellen, als hier den nassen Boden abzusuchen. Und das nur, weil die lieben Kollegen alle schulpflichtige Kinder haben und dafür mit Urlaub zwischen den Feiertagen belohnt wurden.«
Er redete weiter, aber wir ließen ihn einfach stehen.
»Reiner, ich nehme einen kleinen Umweg«, sagte Jutta mit Blick auf ihre bereits ziemlich verdreckten Stiefel. »Ich nehme den Ausgang auf die Straße und komme dann vor zum Parkplatz gelaufen.«
»Das ist ja mindestens doppelt so weit wie der direkte Weg«, protestierte ich.
Meine Kollegin drückte mir ihren Autoschlüssel in die Hand. »Dann nimm du den kurzen Weg durch den Sumpf und heiz den Wagen vor.«
Ich musste kaum mehr als fünf Minuten auf Jutta warten. Zufrieden saß ich im Wagen und verkniff mir ein Grinsen.
»Boah, ist das kalt«, schimpfte sie, als sie einstieg. »Warum hast du die Heizung nicht eingeschaltet?«
»Ging nicht«, antwortete ich einsilbig.
Jutta drückte, zog und schob die Schalter bis zum Anschlag und vermutlich darüber hinaus. Nichts tat sich, nicht das kleinste warme Lüftchen kam aus den dafür vorgesehenen Öffnungen.
»Mist, warum geht das Zeug immer im Winter kaputt? Der Wagen muss gleich morgen früh in die Werkstatt. Vielleicht ist es ein Totalschaden.«
Widerwillig und frierend startete sie den Wagen. Ich dagegen fand die Innenraumtemperaturen recht angenehm. Auf eines musste ich allerdings achten: dass ich meine rechte Hand nicht öffnete und Jutta nicht die kleine Stromsicherung bemerkte.
Zehn Minuten später hatten wir die Friedensstraße im Ludwigshafener Stadtteil Rheingönheim erreicht. Jutta parkte vor einem älteren Einfamilienhäuschen mit gepflegtem Vorgarten. Ich verglich zur Sicherheit die Adresse mit den Daten des Ausweises.
»Hast du eine Ahnung, ob Detlev Schönhausen Familie hatte?«
Meine Kollegin schaute mich konsterniert an. »Woher soll ich das wissen? Ich habe ihn vorhin das erste Mal gesehen und da war er bereits zu tot, um mir das zu verraten. Warum rufst du nicht auf der Inspektion an und lässt im Computer nachschauen?«
»Ach lass mal«, antwortete ich. »Das finden wir auch so heraus.«
Wir stiegen aus und entdeckten sofort den kleinen verrosteten Briefkasten mit integrierter Klingel. Handschriftlich hatte jemand ›Dr. D. S.‹ daruntergeschrieben. Mehrere Minuten lang betätigten wir in immer kürzer werdenden Intervallen die Klingel. Ohne die Anwesenheit meiner Kollegin hätte ich bereits viel früher die Geduld verloren, aber als stellvertretender Dienststellenleiter hatte ich immerhin so etwas wie eine Vorbildfunktion inne. Nachdem Jutta mir unmissverständlich zu verstehen gegeben hatte, dass sie wie ein Schneider fror, versuchte ich das Gartentor zu öffnen. Dies gelang mir auf Anhieb, da es unverschlossen war. Zielstrebig ging ich auf die Haustür zu und zog den Schlüssel des Opfers aus meiner Tasche.
»Sollen wir vielleicht besser auf die Spusi warten?«, fragte Jutta unsicher.
»Wenn du noch
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