Räubers Lust (German Edition)
sein Kinn, aber das spürte Will nicht mehr.
***
Blade war auf dem Rückweg in ihr Räubernest. Der wolkenverhangene Mond stand bereits am Himmel, als sie im Lager eintrafen und er den leblosen Körper vom Pferd zog. Habe ich überreagiert? , fragte sich Blade. Er legte den jungen Mann unter einem Baum ab, bevor er sich um die Tiere kümmerte. Dabei drifteten seine Gedanken immer wieder zu dem Bewusstlosen. Ich hätte ihn nicht zusätzlich zu schlagen brauchen. Tot nützt er mir nichts.
Auch wenn sein Zorn bereits verraucht war, spürte er noch ein kaltes Brennen in seiner Brust. Dass er ein Nichtsnutz war, hatte ihm sein Vater schon seit frühester Kindheit eingebläut. Dieses Bürschchen hatte kein Recht, ihn an seine Vergangenheit zu erinnern, die ohne Liebe und Wärme gewesen war. Warum nahm er sich seine Worte nur so zu Herzen?
Blade fröstelte. Nachts wurde es oft verdammt kalt zu dieser Jahreszeit, weshalb er sich freute, bald in den weichen Fellen zu liegen. Abermals spähte er zu Will. Jebediah und Mort machten sich gerade an der Kleidung des Adligen zu schaffen. „Solch edle Sachen!“ Mort kicherte. „Möchtest du die Strümpfe, mein Lieber?“
Jebediah grölte. „Nein, Herzchen, die überlasse ich dir gerne!“
Eine Weile beobachte Blade die Alten, die sich immer einen Spaß daraus machten, sich wie Edelmänner zu verkleiden, um der Räubertruppe ein Schauspiel abzuliefern. Die beiden sorgten stets für gute Laune, doch heute konnten sie Blades Stimmung nicht heben. Seit Wochen fühlte er, dass ihm etwas in seinem Leben fehlte oder schon immer gefehlt hatte, doch er kam einfach nicht darauf, was es war. Du weißt, was du brauchst, belüg dich doch nicht selbst, Mann! , schrie sein Gewissen.
„Das reicht jetzt!“ Sein scharfer Ton ließ Mort und Jeb aufhorchen, und sogar sein Pferd wich vor ihm zurück. „Das Jüngelchen wird uns noch erfrieren!“
Tatsächlich hatten sie William bis auf ein seidenes Unterhemd entkleidet. Der dünne Stoff reichte ihm bis über die sehnigen Oberschenkel und verhüllte kaum, was sich darunter verbarg. Ein Zucken ging durch Blades Lenden, als er die flache Brust und die langen Glieder betrachtete. Sofort wendete er den Blick ab. „Gebt dem Jungen ne Decke!“, rief er den Räubern zu, bevor er zum nahe liegenden Fluss marschierte, um sich zu waschen.
***
Später saßen die Männer am Feuer, sangen, lachten und erzählten sich Geschichten. Selbstgebranntes floss reichlich, aber auch der Alkohol konnte Blades Trübsinn nicht vertreiben. Er erwischte sich dabei, wie er zu Will schielte, der mit Armen und Beinen an den Baum gefesselt immer noch auf dem Boden lag. Er hatte ihnen den Rücken zugedreht, und Blade war versucht, ihm die Decke über den Körper zu ziehen. Der grobe Wollstoff war durch seine unruhigen Bewegungen verrutscht, sodass jedermann die schlanke Gestalt des jungen Mannes bewundern konnte – und dessen nackte Pobacken. Doch niemand außer Blade schien ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
Ein dicker Regentropfen klatschte auf seine Nase, weitere folgten und verdampften zischend in der Glut des Lagerfeuers. Die Männer verzogen sich gähnend in ihre Unterschlüpfe, nur Blade blieb reglos sitzen. Er beobachtete weiterhin den zitternden Körper seines Gefangenen und stocherte in der heißen Asche. Ihm muss bitterkalt sein , dachte er, wobei er sich selbst über die Arme rieb. Er erfriert, wenn ich ihn so liegen lasse .
Was machte er sich Sorgen um einen Mann, der jede Gelegenheit nutzen würde, ihn zu töten? Abermals wunderte sich der Räuber über sein merkwürdiges Verhalten. Ihn hattenandere doch noch nie gekümmert.
Aber er hat sich damals um dich gekümmert, erinnere dich, meldete sich schon wieder sein nervtötendes Gehirn.
William war bereits so ausgekühlt, dass er glaubte, seine Zehen nicht mehr zu spüren. Tränen liefen ihm über die Wangen, doch er würde nicht um sein Leben betteln. Lieber starb er, als solch eine Schmach zu erdulden.
Hinter seinem Rücken war es ruhig geworden, die Verbrecher hatten sich in ihre Nachtlager verzogen. Was würde ich jetzt für mein warmes, trockenes Bett geben, überlegte er seufzend und schniefte leise. Diese Barbaren waren immerhin so freundlich gewesen, ihm sein Hemd zu lassen. Trotzdem fühlte er sich nackt und verwundbar.Wenn er sich doch die Decke überziehen könnte! Aber seine Fesseln gaben nicht nach. Unangenehm schnitt ihm das raue Seil in die Gelenke. Überhaupt schien sein
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