Räubers Lust (German Edition)
gesamter Körper nur aus Schmerzen zu bestehen und er hoffte inständig, dass kein Knochen gebrochen war. Wenigstens das dumpfe Pochen in seinem Schädel ließ langsam nach.
Plötzlich spürte er, dass jemand hinter ihn getreten war. Gespannt hielt er die Luft an.
„Hier, trink das, dann wird es dir gleich wärmer“, flüsterte eine männliche Stimme, bevor der Hals einer Flasche seine Lippen berührte.
Gierig nahm er einen großen Schluck, doch das Zeug brannte in seiner Kehle wie Feuer, worauf er den Hustenreiz unterdrückte. Die aufsteigenden Tränen vermischten sich mit dem Salz, das schon die ganze Zeit in seinen Augen brannte, doch er kniff die Lider zusammen, um zu erkennen, wer sein Wohltäter war. Als er den Kopf drehte, konnte er jedoch nur dessen Silhouette ausmachen, die sich im schwachen Schein der Glut abzeichnete. Dennoch wusste er sofort, wer der große Mann war. „Blade!“
„Pst, sprich leise, Bürschchen.“ Es brauchte schließlich niemand mitbekommen, wie er sich um diesen reichen Schnösel sorgte, dessen Vater an der Armut in der Gegend schuld war. Seine hohen Pachten konnte kaum noch jemand bezahlen. Das einfache Volk sparte sich den Zins vom Mund ab, während die gehobenen Herrschaften an prunkvoll gedeckten Tischen saßen und dem Überfluss frönten. Eigentlich sollte ich ihn verrecken lassen , dachte Blade, stattdessen drückte er wieder die Flasche an die wundervoll geschwungenen Lippen. „Hier, nimm lieber noch was, du wirst es brauchen.“
Blade schob eine warme Hand unter Wills Kopf, damit er sich nicht verschluckte. William würgte noch etwas von der Flüssigkeit hinunter, die seinen Magen zum Glühen brachte. Tatsächlich fühlte er sich schon besser. Will war beinahe enttäuscht, als der Schurke seine Hand zurückzog. Er hatte kurz etwas gespürt, das er sich nicht erklären konnte, doch es war ein schönes Gefühl gewesen. Ein unbekanntes Gefühl. Zudem kam ihm dieser Fremde seltsam vertraut vor.
Sein Herz schien einen Schlag auszusetzen, als ein rauer Daumen über seine Wange strich, um die feuchten Spuren wegzuwischen. „Was soll das?“ Will konnte die drei kleinen Worte nur undeutlich stammeln, aber dieses Schlitzohr gab ihm keine Antwort. Was spielt er für ein Spiel?
Der Räuber überraschte ihn ein weiteres Mal, als er ihm die Decke unter den klammen Körper stopfte. „Träum schön, Bürschchen“, flüsterte er noch, bevor er sich erhob und in die Luft sprang, um einen dicken Ast zu greifen, an dem er sich nach oben zog. Schon war seine Gestalt im Blätterwerk verschwunden und William fühlte sich unendlich allein.
Blade liebte seinen Unterschlupf in dem Baumwipfel. Eine hölzerne Plattform, die mit Fellen und Decken ausgelegt war, bot ihm ein bequemes Nachtlager, und das dichte Blätterdach schützte ihn vor Sonne, Regen und Wind. Zusätzlich hatte er noch eine lederne Plane angebracht, an der nun das Wasser abperlte.
Er lugte kurz über den Rand der Plattform, doch natürlich konnte er den Jungen in der Dunkelheit nicht erkennen. Dafür hörte er ihn umso deutlicher. Das Klappern seiner Zähne drang bis zu ihm herauf. „Verflucht!“, knurrte Blade, als er sich die Stiefel von den Füßen zog und das Hemd abstreifte. „Der Kerl macht mich noch wahnsinnig.“
Er schlüpfte unter die Felle und Decken, konnte aber einfach nicht in den Schlaf finden. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu der bibbernden Gestalt. Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn er jetzt da unten läge, frierend und allein. Ja, das Gefühl kennt das Bürschchen nicht , schoss es ihm durch den Kopf. Dafür kannte er es umso besser.
Brummend schälte er sich aus den Decken. „Ich tue das nur des Geldes wegen!“
Nachdem er einen Kerzenstummel entzündet hatte, konnte er in dem schwachen Licht die feinen Wölkchen seines Atems erkennen. Kurz entschlossen steckte er sich ein Messer zwischen die Zähne und schwang sich von der Plattform an den feuchten Ästen nach unten. Er kannte den Weg blind. Dann tastete er sich durch die Dunkelheit. Der Regen hatte stetig zugenommen, sodass der Boden unter dem jungen Mann und seine Decke schon recht feucht waren. Als er schließlich die zitternde Person berührte, zuckte diese zurück.
„Ganz ruhig, ich bin es nur!“
Im ersten Moment hatte Will geglaubt, ein wildes Tier würde sich über ihn hermachen. Abermals ließ er den Tränen freien Lauf, doch diesmal weinte er aus Erleichterung. Ihm war es nun völlig egal, ob es der Räuber
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