Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
beide, denn Heeby war gefangen und wir wurden immer weiter getrieben. Kein Essen, kein Wasser. Für keinen von uns.«
»Wie lange ging das so?«
»Das weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall mehr als zwei Tage.« Seine Klauen waren schwarz. Er kratzte sich unterm Kinn, schüttelte sich zufrieden und wurde wieder ruhig. »Irgendwann hat uns der Fluss dann aber wo angespült, und da gab es eine lang gezogene Wiese. Das muss am anderen Ufer gewesen sein als dem, an dem wir mit Teermann entlanggefahren sind, denn mir kam die Stelle nicht bekannt vor. Und der Fluss war auch auf der falschen Seite, wenn Ihr versteht, was ich meine. Nun, da konnte ich Heeby von dem Knäuel befreien, und wir sind an Land gegangen. Zwar hatten wir nicht viel, aber immerhin hatte ich noch mein Werkzeug zum Feuermachen, denn das habe ich immer in diesem Beutel, seht Ihr?«
»Ich sehe es«, gab sie zurück. Ihre Feder bewegte sich schnell über das Papier, doch sie blickte kurz auf, als er ihr den Beutel hinhielt, den er an einer Schnur um den Hals trug.
»Also habe ich ein Feuer gemacht, damit sich mein Drache aufwärmen konnte, und gewartet, dass jemand es sehen und uns retten würde. Aber das ist nicht passiert. Allerdings konnte man auf der Wiese gut jagen. Da waren so Tiere – nach allem, was mir mein Vater früher erzählt hat, glaube ich, dass es vielleicht Ziegen oder Schafe waren. Jedenfalls waren es keine Hirsche oder Flussschweine. Und sie waren nicht schnell, und anfangs hatten sie auch kaum Angst vor uns. Erst am zweiten oder dritten Tag wurden sie scheu, nachdem sie gemerkt haben, dass Heeby sie gern umbrachte und auffraß. Also haben wir uns von ihnen ernährt, und dann haben wir so eine Stelle weiter hinten bei den Bäumen gefunden. Da war so ein Fleck, und Heeby wusste, was man machen musste, damit der heiß wurde. Und ein Steinhaus. Das war zwar größtenteils eingefallen, aber zwei Zimmer hatten noch ein Dach, und das hat für uns gereicht. Heeby ging viel jagen und hat viel gefressen, und ich habe dasselbe gemacht. Manchmal haben wir auf dem Heizfleck geschlafen und manchmal in dem alten Gebäude. Heeby ist gewachsen, ihre Farben wurden kräftiger, und ihre Schwingen wurden größer und ihr Schwanz und sogar ihre Zähne! Die ganze Zeit haben wir weiterhin Flugübungen gemacht, Ihr wisst schon, was ich meine. Ihr habt uns schon mal dabei gesehen, oder?«
»Ja. Ich habe oft dabei zugesehen, wie du versucht hast, sie zum Fliegen zu bringen.«
»Ja. Nun, ihre Flügel wurden größer und kräftiger, und eines Tages ist sie geflogen. Nur ein kleines bisschen. Und am nächsten Tag konnte sie schon weiter fliegen. Und dann noch weiter. Aber es ging immer nicht lange, nicht den ganzen Tag. Immerhin konnte sie sich lange genug in der Luft halten, um wirklich gut zu jagen. Und da wollte mein Mädel nur noch jagen, fressen und auf dem Heizfleck schlafen, und dann wieder jagen und schlafen, und so wurde sie immer größer und kräftiger.«
Er schüttelte nachsichtig den Kopf. Dann stand er auf und sah sehnsüchtig zum Ufer hinab. Einige der Hüter spritzten sich mit ihren Drachen gegenseitig an, grölten und lachten. Tats schien Fente mit Sand abzureiben, und die Drachin war vor Wohlbehagen offenbar wie hypnotisiert. Alise betrachtete die noch feuchten Buchstaben. Um die Tinte zu trocknen, streute sie Sand auf das Blatt, wartete einen Moment und schüttelte ihn wieder herunter. Dann griff sie zu einem neuen Blatt. »Und dann?«
Ruhelos wie ein angeleinter Hund ging er einmal auf und ab. »Ach, Ihr wisst schon. Sie hat noch mehr gefressen, noch mehr geschlafen und ist noch mehr gewachsen. Dann ist es uns beiden zu einsam geworden, und eines Tages hat Heeby gemeint: ›Na, dann lass uns nach Kelsingra gehen.‹ Und ich sagte: ›Kannst du so weit fliegen?‹ Und da meinte sie, dass sie glaubte, es zu schaffen, wenn sie Plätze finden würde, wo sie landen und über Nacht schlafen könnte. Bloß keine Landung im Wasser, denn sie weiß, dass sie vom Wasser aus nicht losfliegen kann. Und nachdem sie tagelang mit dem Knäuel verheddert und im Wasser gewesen war, hat sie jetzt die Schnauze voll davon. Also habe ich gesagt: ›Nun, dann lass uns gehen.‹ Und so haben wir es dann gemacht. Als wir Kelsingra gefunden haben, war da keiner. Und ich wurde furchtbar traurig, weil ich dachte, dass ihr alle tot wärt, aber sie sagte: ›Nein, ich spüre einige Drachen, auch wenn sie mich nicht hören können.‹ Also haben wir angefangen, jeden Tag
Weitere Kostenlose Bücher