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Raine der Wagemutige

Titel: Raine der Wagemutige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Brockway
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Junge, der neben ihn an die Wand gekettet war, ein Neuzugang, war von schmächtigem Wuchs und sah verstockt aus.
    Plötzlich öffnete sich die Zellentür knarrend. Raine blinzelte durch das schwache Licht zu der dunklen Figur, die im Gefängnisflur stand. Seine Sinne schärften sich.
    Madame Noir.

2. KAPITEL
    Madame Noir war gekommen, ihre Wahl für ihre Abendunterhaltung zu treffen.
    Raine betrachtete die dunkel gekleidete Gestalt, die die Zelle betrat. Verborgen unter einem fast undurchsichtigen schwarzen Schleier und mehreren Lagen mitternachtsblauer Seide bewegte sie sich mit einer seltsam zögernden Anmut. Ein schwarzer Samtumhang bedeckte ihre Schultern, und lange schwarze Handschuhe umschlossen ihre schlanken Hände, mit denen sie ihre Röcke über die Pfützen auf dem Boden raffte.
    Armand folgte ihr mit gerötetem Gesicht, die ohnehin gefurchte Stirn in mürrische Falten gelegt. An seiner Seite ging gebückt ein Riese von einem Mann, warm eingepackt gegen die Kälte, einen dicken Mantel um die wuchtigen Schultern gehängt und einen langen Schal um den kräftigen Hals geschlungen. Die Augen unter der Krempe seines Hutes blickten scharf und durchdringend.
    Raine fluchte lautlos. Warum konnte sie nicht von jemandem wie Pierre begleitet werden? Groß, aber geistig minderbemittelt und langsam.
    Sie drehte sich um, blieb im Lichtkreis der Fackeln stehen und sprach zu ihrem Diener. Im Gegenlicht war ihr feines Profil unter dem schweren Schleier zu erkennen; ein schlanker Hals, ein zart geschwungenes Kinn und eine edel geformte Nase. Die Männer, die von einer Nacht in ihrer „Obhut“ zurückkehrten, schworen, dass sie diesen Schleier niemals ablegte. Niemand hatte je ihr Gesicht gesehen -selbst Armand nicht - und niemand kannte ihren richtigen Namen. Sie hatte ihre Zimmer in dem Gasthof, den sie für ihre Vergnügungen nutzte, immer nur unter dem Pseudonym „Madame Noir“ angemietet.
    Sie beendete ihre geflüsterte Unterhaltung und wandte sich wieder zu den Gefangenen um. Mit etwas, das irgend-wie nach erzwungener Zielstrebigkeit aussah, trat sie auf die Männer zu, ihr Begleiter wie ein Schatten dicht hinter ihr. Sie blieb vor dem Kolonisten stehen.
    „Zu alt“ murmelte sie und ging weiter. Vor dem Preußen verhielt sie. Er hob seinen schweißnassen Kopf und musterte sie aus dumpfen, hoffnungslosen Augen. „Dieser Mann wird sterben, wenn er noch länger in dieser Kälte bleiben muss“, sagte sie in exquisitem, aristokratischem Französisch.
    „Ja“, pflichtete ihr Armand sofort gleichgültig bei. „Ein Preuße.“
    Sie betrachtete den zitternden Mann weiter.
    „Es könnte durchaus sein, dass ich einmal nach einem Preußen verlangen werde“, erklärte sie ruhig, bevor sie weiterging.
    Augenblicklich bellte Armand einen Befehl, dass der Preuße abgetrocknet und mit Essen versorgt werde. Bei irgendjemand anderem hätte man Madame Noirs Bemerkung als Mitgefühl auslegen können, dachte Raine zynisch. Sie näherte sich dem jungen Engländer.
    Armand eilte an ihre Seite. „Er ist ein Neuzugang, Madame. Engländer. Jung. Er hat festes, strammes Fleisch. Fühlt selbst.“ Er redete wie ein Sklavenverkäufer. „Macht nur. Ich kenne Euch als nicht schüchtern.“
    Sie hob das Kinn des Jungen. Seine Unterlippe bebte.
    „Sehr jung.“ Sie klang unsicher. „Aber Engländer, sagt Ihr. .."
    „Bitte! Ich stamme aus einer vornehmen Familie. Ich darf nicht so missbraucht werden!“ Der Junge schluchzte. „Ich bin nicht, was Ihr wollt! Ich bin nicht. . .“
    „Aber ich."
    Madame fuhr beim Klang von Raines gelassener Stimme herum, und ihr Schleier wallte bei der jähen Bewegung um ihre Schultern, bevor der Stoff sich wie die dunklen Schwingen eines Nachtvogels wieder legte. Sie hielt den Kopf schief und verstärkte damit ihre Ähnlichkeit mit einem kleinen, schlanken Raubvogel.
    „Monsieur ist Engländer?“ erkundigte sie sich, und der Schleier konnte nicht verbergen, dass sie ihn interessiert musterte.
    „Aye.“ Er betrachtete sie eindringlich. „Engländer. Sind Engländer nach Eurem Geschmack, Madame?“
    Hinter dem Schleier glaubte er, das Glitzern ihrer Augen zu erkennen. Er zwang sich, still zu stehen, und hielt seine Hände in die Höhe, lud sie ein, ihn anzuschauen. „Ich bin Euer Mann.“
    „Vielleicht.“
    Armand eilte zu ihnen. Er packte eine Hand voll von Raines Haar und riss seinen Kopf zurück.
    „Hier, Madame. Kommt. Schaut her. Betrachtet ihn genau. Ich weiß, wie sorgfältig Madame ihre

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