Ramses Mueller
Gespräch ist das typische Rumgemeine am Wirtshaustisch, Spökenkiekerei, das universelle Raunen, das er ja so hasst. Er hat zwar so seine Methoden, sich selbst taub zu machen, die eine ist, ein Ohr zuzudrücken, nicht offensichtlich, so, als würde er sich am Ohr kratzen oder sein Gesicht aufs Ohr stützen, dadurch wird der Krach, das Gelaber vom anderen Ohr verdoppelt und als ununterscheidbarer Matsch wahrgenommen, die andere Methode ist, im Mundraum einen Druck durch Pressen zu erzeugen, der durch die eustachische Röhre von innen gegen das Trommelfell drückt, es bläht, sodass die Schallwellen von außen ungenügend zum Innenohr kommen können, aber er lässt das, weil, hier ist es genau das, was ihn eigentlich jetzt auch beschäftigt, diese Runde, das ist wie die Gesellschaft in der Disco, eine Gruppe, die nur schwach irgendwie mit Spucke zusammengeklebt ist. Dass es im Lied aber um etwas anderes geht, dass Madonna ja auf einen Anruf wartet, bevor sie in die Disco geht, er ruft nicht an, bzw. sie kann ihn nicht erreichen und dann hängt sie ein, hung up , aber das behält er für sich, er will ihre Theorien vom Discotod nicht zertrümmern, aufhängen, er hat seinen Ehrgeiz verloren, die drei jammervollen Gestalten, er hat ihnen ihr Leben weggenommen, er hat sie nicht abgeholt, sie nicht angerufen, ihnen nichts erklärt, er hat Angst vor ihrem Leid, wie konnte er nur den miesen Plan, den Vorteil einer Doppelexistenz, das, was ihm Schlingensief vorgegaukelt hat, die Schlupfwespe, wie konnte er das weiterspielen, irgendwann, als Soloalbum kam, hat er Schlingensief das ja auch erzählen müssen, dass es keine Duke-Ellington-Biografie geben wird, er hatte noch behauptet, die würde »geschoben« werden, aber die Lüge weiterzuschleppen macht ihn müde, schwächt ihn, jetzt ist so viel zusammengekommen, das Spiel und seine Figuren, die gerade im Begriff sind, wie ein Pfuhl zu kippen, sein Material, und Haußmann ist in Erwartung, und auch ihn würde man nicht anlügen wollen, wer weiß, sie würden ihn für einen Borderliner halten, einen, der nichts mehr zu sagen hat und Personen, Geschichten, sich selbst erfinden muss oder, noch schlimmer, sie manipulieren muss, sie gegeneinander ausspielen, er sei ausgebrannt, würden sie schreiben, wie Tom Kummer, der ehemalige Superstar des neuen Journalismus in Deutschland, der bastelte sich Interviews einfach zusammen, erfand Stars, Fragen und deren Antworten und stolperte darüber und zog obendrein in seinem Fallen seinen damaligen Chefredakteur Ulf Poschardt mit sich in den Abgrund, jetzt fristet er sein verpfuschtes Leben als Pit-Pat-Trainer in Hollywood, das ist eine Mischung aus Minigolf und Billard, man muss mit seinem Queue auf mehreren Tischen verschiedene Hindernisse umspielen, ein Spiel für welche, die schon alles haben, die sich alles leisten können, die sich an Armut ergötzen, am Spiel der Proletarier, das ist so degeneriert, aus nichts wieder nichts machen, und dahin reitet er, Stuckrad, gerade anscheinend und sehenden Auges auch, wenn er nicht aufpasst, Udo Lindenberg hatte ihm gesagt, ey, Ben, sei ehrlich zu dir selbst, und die lauwarme Lindenbergwelle der Vernunft rollt ihn jetzt plötzlich an, er will die Karten auf den Tisch legen, eine kleine Lüge, eine vielleicht 20-Stunden-Lüge aufdecken, je früher, desto besser, vielleicht könnte er für Haußmann eine Lindenberg-Posse schreiben, mit Lindenberg als Lindenbergdarsteller inkl. Doppeludo, das wäre doch mal interessant, die Salzsedimente auf den knöchernen Wangen der kleinen Lydia, das ist vielleicht doch eine Nummer zu gefährlich, als Witz kann man jetzt vielleicht noch alles retten, ein frühes Ende, wie sie das eben gesagt haben, ist besser als ein sich ewig hinziehendes, an Schläuchen, und wie viele Schläuche braucht er dann, um diesen deformierten Klumpen Lüge am Leben zu erhalten, mit all den Metastasen, gestern auf der Party bei Schlingensief hatte er mal kurz daran gedacht, alles aufzudecken, er behauptete, Barre zu sein, also er selbst, nur um mal zu testen, was passiert, Armin, Schubal und Lydia haben gelacht, »guter Witz«, »schlechter Schauspieler«, und machten abfällige Witze über den Autor, er sei ausgebrannt, für sie ist da schon Müller der Held, Armin hat sich sogar so eine dicke schwarze Heinermüllerbrille aufgesetzt, die gehörte wohl Roger Willemsen, seine Ersatzbrille, und rauchte mit ihm eine dicke Zigarre, beide lachten, Armin balancierte eine dieser teuflischen
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