RAND DER ANGST (T-FLAC/PSI) (German Edition)
Londoner Times schalten. Bis dahin konnte sie es sich nicht leisten, ihr Leben einfach auf Eis zu legen.
»Ich hab Dinge zu erledigen und Schmuck herzustellen. Und du bist, wenn ich das mal so sagen darf, ein wahres Prachtstück. « Mit entschlossener Fröhlichkeit polierte sie die Steine geschickt mit einem weichen Tuch. Ein Prachtstück, das mindestens zweitausend hübsche Dollar einbringen würde.
»Nicht dass ich mir was aus der Kohle
machen
würde. Es ist nur so verdammt erstaunlich, dass ich tatsächlich fähig bin, etwas herzustellen, das jemand kaufen will. « Sie grinste. »Und ich rede schon wieder mit mir selbst. «
Ohne das zweite Klingeln der Türglocke wahrzunehmen, wickelte sie die Kette vorsichtig in Seidenpapier und legte das Stück in einen kleinen silbernen Kasten. Erst als ihr Besucher einen Finger auf der Klingel hielt, hob sie den Kopf wegen des aufdringlichen Lärms.
»Verdammt. Die Bullen sind wieder da. «
Das Schmuckgeschäft eines ihrer Kunden war am Vortag ausgeraubt worden. Die Polizei war gestern Abend vorbeigekommen und hatte sie mit ihrem Klingeln zu Tode erschreckt. Gott. Sie presste die Hand auf ihr rasend schnell schlagendes Herz und versuchte, tief und ruhig durchzuatmen. Es war ihr gelungen ihre Fassung zurückzugewinnen, während sie befragt wurde, aber innerlich war sie ein nervliches Wrack gewesen.
Ihr gefälschter Pass wäre gut genug gewesen, um selbst die Polizei zu täuschen, aber sie hatten gar nicht danach gefragt. Sie hatten sie nur verhört, weil sie am Tag zuvor in dem Schmuckgeschäft gewesen war.
»Haben die gestern nicht genug Informationen bekommen? «, murmelte sie und trat zu dem Fenster, das auf die Straße hinausging. In den Monaten, in denen sie hier in dem Apartment lebte, hatte sie Wert darauf gelegt, sich die Autos aus der Nachbarschaft einzuprägen. Flüchtig überflog sie die geparkten Wagen auf beiden Seiten der nebligen Straße,wobei sie darauf achtete, von unten nicht gesehen zu werden.
Keine unbekannten Fahrzeuge. Kein Polizeiauto. Freie Parkplätze waren eine Seltenheit in diesem Stadtteil von San Francisco. Gestern hatte das Polizeiauto in zweiter Reihe geparkt. Heute stand da kein Auto. So viel konnte sie jedenfalls sehen. Also irgendjemand zu Fuß? Das machte sie munter. »Pfadfinderinnen mit Plätzchen?«
Sie hatte in den letzten elf Monaten keine Freunde kennengelernt, keine flüchtigen Bekannten, keine persönlichen Bindungen geschlossen. Sie hatte ganz bewusst keine Kontakte zu ihren Nachbarn geknüpft, die über das übliche Grüßen beim Kommen und Gehen hinausgingen. Aber sie hatte gestern im Lebensmittelladen Plätzchen von den kleinen Mädchen in ihren grünen Uniformen gekauft und wusste, dass nur ein paar Häuser weiter drei kleine Pfadfinderinnen wohnten.
Nachdem die Polizei gestern Abend gegangen war, war sie so gestresst gewesen, dass sie die ganze Schachtel noch vor dem Abendessen leergefuttert hatte.
Mehr Schokolade wäre jetzt prima. Sie hatte sich seit Stunden über ihren Arbeitstisch gebeugt. Plätzchen zum Tee klangen wunderbar an diesem kalten Nachmittag.
Sie mochte die Gegend an der Bucht von San Francisco. Das und ihr neues Leben unterschied sie gewaltig von ihrem Jet-Set-Leben früher. Jetzt war alles anders. Zum einen war sie nie länger als ein paar Wochen an einem Ort gewesen. Selbst als sie noch ein Kind gewesen war, hatte sie einen Privatlehrer gehabt, weil ihre Familie so extrem viel reiste. Es war eine Art Nomadentum gewesen, und sie hatte erst bemerkt, wie sonderbar das war, als es vorüber war.
Es klingelte wieder.
»Ich komme ja schon. « Heather lächelte angesichts der Hartnäckigkeit der kleinen Verkäuferin, während sie ihren Geldbeutel schnappte und leichtfüßig die Treppe von ihrer Wohnung runter zur Haustür lief. Wegen des steilen Hügels auf dem das Apartmenthaus gebaut worden war, befand sich ihre Einzimmerwohnung im zweiten Stock, während ihre Haustür und ihr winziger Eingangsbereich auf Straßenniveau lagen.
Fünf weitere Wohnungen waren drumherum angebaut worden wie die Teile eines Puzzles, darüber, darunter und direkt neben ihr. Ein allein stehender Lehrer, zwei junge Flugbegleiterinnen, ein Bankkassierer, eine Fitnesstrainerin und eine Kellnerin mit ihrer kleinen Tochter. Jeder mit seinem eigenen Hauseingang. Das war in etwa das, was sie über ihre Nachbarn wusste. Was sie zu wissen wagte.
Sie musste sich ständig daran erinnern, dass die Isolation zwingend erforderlich war.
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