Rangun
Jungfernschaft des Mädchens vor dem Altar zu kitten, zu einem Duell mit ihrem Bruder und dann eiligst nach Birma geführt hatte.
Harry hatte sein Exil zuerst bitter, dann gleichmütig hingenommen. Schließlich konnte man kaum behaupten, daß, einmal abgesehen von der prächtigen Gesellschaft Londons und der wundervollen Landschaft Englands zu den verschiedenen Jahreszeiten, seine militärischen Fähigkeiten durch das Schießen von Fasanen in den Cotswalds verbessert worden wären, und er sehnte sich nach dem Abenteuer, Soldat zu sein. Die Ländereien seiner Familie zu bewirtschaften, mochte ein ganz erfreuliches Leben sein, aber doch ein verdammt träges. Harry glaubte, genügend Mut für das Militär zu haben. Er war nie einem Hindernis ausgewichen, und obwohl ihn eine Kugel am Scheitel gestreift hatte, hatte er sich in dieser Ehrensache anständig verhalten. Birma, reich an Teak, Reis und Juwelen war die neue Grenze des Empires und das Tor zum begehrten Chinahandel. In Birma konnte ein Mann ein Vermögen machen und ein völlig neues Leben beginnen, und Harry brauchte ein neues Leben, da es für viele Jahre kein Zurück nach England gab.
Jetzt eilte er eifrig zu einer herangewunkenen Rikscha und Lysistrata Herriott spürte, daß Leutnant Armistead froh war, sie los zu sein. Er war nur so lange geblieben, um ihrem Vater und mehreren verärgerten Hafenbeamten die Umstände ihres überstürzten Aufbruchs zur Küste zu erklären. Dann hatte er sein Gepäck genommen, nach einem Transportmittel gerufen und ihr ein hastiges Lebewohl gesagt, wobei er ihr erst spät versicherte, daß sie sich in der kleinen europäischen Gemeinde Ranguns bald Wiedersehen würden. Er hatte ihr noch einen kurzen Rat gegeben. »Ich habe gehört, daß die Kutscher kein Wort Englisch sprechen und die großen Hotels kaum finden. Am besten, Sie lassen den Kapitän einem der Burschen sagen, wohin er Sie bringen soll.« Obwohl ihr Stolz zuweilen leicht verletzt werden konnte, war sie kaum verwirrt, als er ging. Männer gaben sich gewöhnlich selten mit ihr ab, und obwohl Armistead das getan hatte - auf rein platonische Weise -, war sie darauf vorbereitet, in Birma ohne männliche Hilfe auszukommen - von ihrem Vater einmal abgesehen.
Wenn Lysistrata etwas gelernt hatte, seit ihre Familie kurz vor dem Krieg aus Charles ton in Südcarolina nach Norden gezogen war, dann Selbstvertrauen. Sie war neun gewesen, als Fort Sumter unter Beschuß genommen wurde. Südstaatler hatten sie und ihre drei Brüder wie räudige Gassenhunde bedroht, weil ihr Vater ein Yankee war; und die Bostoner mochten sie ebensowenig, weil ihre Mutter eine Rebellin war. In den folgenden vier Jahren nahm der Krieg ihre älteren Brüder, Typhus den jüngsten, und das Leid ihre Mutter, keine drei Monate nach Lincolns Ermordung. Dies war der kälteste Winter, an den sie sich erinnerte, bis Frank Wyne aufgetaucht war. Nach Frank hatte sie entdeckt, wie kalt die Hölle sein konnte.
Nun, mein Mädchen, dachte sie, die Vergangenheit verdrängend, Birma ist heiß genug, um dich anständig zu rösten. Als sie sah, daß ihr Vater noch mit dem Gesundheitsbeamten sprach, ging sie zu dem Kapitän, der mit seinem Zahlmeister an der Gangway stand. »Captain, wo könnte die Loo Gow Straße sein?«
»Die liegt in einem Wohnbezirk der Einheimischen, nicht weit vom Hafen entfernt.«
»Wenn Sie so freundlich wären, das einem der Kutscher zu sagen -«, sie nickte zu dem Troß von Rikschas und schlichten, pferdegezogenen Kutschen, der sich wunderbarerweise angesammelt hatte, »mein Vater und ich möchten unser Gepäck gleich dorthin gebracht haben.«
Der Kapitän runzelte etwas die Stirn, da sich andere Passagiere, die keine einheimischen Diener als Dolmetscher hatten, hinter ihr versammelten, um ebenfalls Hilfe zu erbitten. »Aber, Miß Herriott, Europäer wohnen nicht...«
Dr. Herriott, der hinter Lysistrata getreten war, fiel ruhig ein: »Ich habe darum gebeten, statt in den Militärunterkünften nahe dem Queen Anne's Hospital untergebracht zu werden. Dr. Thomas Lighter, der Chefchirurg, hat sich um unsere Unterkunft gekümmert, die sicher geeignet sein wird.«
»Sicher, Sir«, erwiderte der Kapitän, »aber ich glaube, Sie werden sehr bald den Wohnsitz wechseln wollen. Die Einheimischenviertel der Stadt bieten wenig Annehmlichkeiten, und während der Regenzeit steht das Hafengebiet ständig unter Überflutungsgefahr. Im Augenblick jedoch sollte das genügen, bis Sie sich besser an die hiesige
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