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Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Titel: Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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schottischen Sommer. Er versuchte, sich vorzustellen, er befände sich an einem menschenleeren Strand oder auf dem Gipfel eines Berges, allein mit seinen Gedanken. Wem versuchte er eigentlich, etwas vorzumachen? John Rebus war immer allein mit seinen Gedanken. Und momentan dachte er an Alkohol. Noch ein, zwei Stunden, und die Bars würden sich abrupt leeren – das heißt, wenn sie nicht wegen des Festivals einen Antrag auf verlängerte Ausschankgenehmigung gestellt und ihn bewilligt bekommen hatten.
    Er war unterwegs zum Rathaus, den City Chambers, gegenüber von der St. Giles’ Cathedral. Er bog von der High Street ab, fuhr durch einen von zwei steinernen Bogen und gelangte auf einen kleinen Parkplatz direkt vor den Chambers. Unter einem der Bogen hielt ein uniformierter Constable Wache. Er erkannte Rebus und trat nickend beiseite. Rebus parkte sein Auto neben einem Streifenwagen, stellte den Motor ab und stieg aus.
    »’n Abend, Sir.«
    »Wo ist es?«
    Der Constable deutete mit dem Kopf auf eine Tür in der Nähe der Bogen, an der Seitenwand der Chambers. Sie gingen darauf zu. Neben der Tür stand eine junge Frau.
    »Inspector«, sagte sie.
    »Hallo, Mairie.«
    »Ich hab sie aufgefordert weiterzugehen, Sir«, entschuldigte sich der Constable.
    Mairie Henderson schenkte ihm keinerlei Beachtung. Sie sah Rebus in die Augen. »Was ist los?«
    Rebus zwinkerte ihr zu. »Die Loge, Mairie. Wir treffen uns nämlich immer heimlich.« Sie warf ihm einen bösen Blick zu. »Na also, seien Sie vernünftig. Unterwegs zu einer Show?«
    »War ich, bis ich das Spektakel hier gesehen habe.«
    »Samstag ist Ihr freier Tag, wie?«
    »Presseleute haben keine freien Tage, Inspector. Was ist hinter der Tür?«
    »Sie ist verglast, Mairie. Schauen Sie doch selbst nach.«
    Aber durch die Scheiben konnte man lediglich einen engen Korridor mit mehreren Türen sehen. Eine davon war offen und ließ eine Treppe erkennen, die nach unten führte. Rebus wandte sich zum Constable.
    »Wir machen jetzt richtig dicht, mein Junge. Sperren Sie die Bogen ab, dass keine Touristen reinkommen, bevor die Show losgeht. Fordern Sie, wenn nötig, über Funk Verstärkung an. Entschuldigen Sie, Mairie.«
    »Dann gibt es also was zu sehen?«
    Rebus ging an ihr vorbei, öffnete die Tür und zog sie hinter sich wieder zu. Er stieg die Treppe hinunter, die von einer nackten Glühbirne beleuchtet wurde. Von unten drangen Stimmen zu ihm herauf. Am Ende des ersten Treppenlaufs bog er um die Ecke und sah sie: Am Boden saßen oder kauerten zwei halbwüchsige Mädchen und ein Junge, die Mädchen zitternd und in Tränen aufgelöst. Direkt neben ihnen standen ein uniformierter Constable und ein Mann, der offenbar Arzt war. Bei Rebus’ Erscheinen sahen alle auf.
    »Das ist der Inspector«, erklärte der Constable den Teenagern. »So, jetzt gehen wir wieder runter. Ihr drei bleibt hier.«
    Als er sich an den Jugendlichen vorbeidrückte, sah Rebus, dass der Arzt ihnen einen besorgten Blick zuwarf. Er zwinkerte ihm zu, um ihm zu verstehen zu geben, dass sie schon darüber wegkommen würden. Der Arzt schien da nicht so sicher zu sein.
    Zusammen stiegen die drei Männer die nächste Treppe hinunter. Der Constable hatte eine Taschenlampe dabei.
    »Es gibt elektrisches Licht«, sagte er. »Aber ein paar Birnen sind kaputt.« Sie gingen durch einen engen, niedrigen Gang, der durch die Lüftungsund Heizungsrohre, die entlang der Decke verliefen, noch niedriger wurde. Gerüststangen lagen fertig zum Zusammenbau auf dem Boden. Dann kam wieder eine Treppe.
    »Sie wissen, wo wir sind?«, fragte der Constable.
    »Mary King’s Close«, erwiderte Rebus.
    Nicht dass er schon hier unten gewesen wäre – nicht direkt jedenfalls. Aber er war schon in ähnlichen alten überbauten Straßen unter der High Street gewesen. Er wusste von Mary King’s Close.
    »Es ist nämlich so«, erklärte der Constable, »dass es sechzehnhundertsoundsoviel eine Seuche gab. Die Leute sind gestorben oder ausgezogen und nie wieder richtig eingezogen. Dann gab es einen Brand. Sie sperrten die Enden der Straße ab. Später haben sie das Stück Straße einfach überbaut.« Er richtete seine Taschenlampe zur Decke, die jetzt drei oder vier Stockwerke über ihnen lag. »Sehen Sie die Marmorplatte da oben? Das ist der Fußboden der City Chambers.« Er lächelte. »Ich hab letztes Jahr die Führung mitgemacht.«
    »Unglaublich«, meinte der Arzt. Dann, zu Rebus gewandt: »Ich bin Dr. Galloway.«
    »Inspector Rebus.

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