Rasant und Unwiderstehlich
Hoffnung, den ganzen Gerüchten, die im Speisesaal die Runde machten, zu entgehen. Irgendwie war sie überrascht, dass sich Kara anscheinend schnurstracks in die Höhle der Löwen gewagt hatte. »Hab ich was versäumt?«
»Apfel-Zimt-Pfannkuchen.« Kara blätterte die Seiten durch. Sie lächelte Brett halbherzig zu.
»Hast du irgendwas Neues über das Feuer gehört?«, fragte Brett. Sie stand immer noch in der Mitte des Zimmers, unsicher, ob sie sich neben Kara aufs Bett setzen sollte oder besser nicht. Sie hätte sich ja auf Tinsleys Bett gesetzt, aber erstens war Tinsley ein boshaftes Weibsstück, und zweitens war das Bett ihrer Zimmergenossin doch ungemütlich weit weg von ihrem eigenen. Kaum dass man ihnen Zimmer 121 im Dumbarton-Wohnhaus zugewiesen hatte, hatten sie und Tinsley ihre Betten an die entgegengesetzten Ecken des Zimmers geschoben. Brett hatte sich sogar überlegt, ihre hellblauen Krepplaken von Frette als zusätzlichen Raumteiler von der Decke zu hängen.
»Alle reden von nichts anderem.« Kara ließ die Zeitschrift auf das Bett fallen und schlug elegant die Beine übereinander. »Die Gerüchte um Easy und Callie reißen nicht ab. Ach ja, und in den Resten der Scheune hat man ein Feuerzeug gefunden, mit den Initialen von diesem Julian McCafferty. Tja, und dann sind noch einige der Ansicht, dass Tinsley das Feuer gelegt hat. Oder auch der Besitzer von dem Schnapsladen. Keine Ahnung. Eigentlich kann es doch jeder gewesen sein.«
Brett entschloss sich nun doch, die Zeitschrift beiseitezuschieben und auf ihrer seidigen fuchsienroten indischen Tagesdecke neben Kara Platz zu nehmen. An der Wand hinter ihnen hing die blau-weiße Radierung eines Segelbootes. Tinsleys Großvater hatte es mit der Post geschickt und Brett hatte es aus dem Müll gerettet. Natürlich hatte Tinsley sich nicht die Mühe gemacht, mehr als eine Ecke des Päckchens aufzureißen, bevor sie es gleichgültig entsorgt hatte.
Kara rückte ein Stückchen näher, und Brett spürte, wir ihr warmer Atem über ihre Haut strich. »Jemand hat erzählt, man hätte ein paar Jungs von St. Lucius bei der Scheune gesehen.«
»Ah, echt?« Ein Schauer überlief Brett, als der Name St. Lucius fiel, und sie setzte sich automatisch noch gerader hin. Ihr Ex Jeremiah hatte ihr heute Morgen in einer Mail geschrieben, dass er von dem Feuer gehört hatte … und noch von »anderen Gerüchten«. Was würde er sagen, wenn er herausfand, dass diese »anderen Gerüchte« wahr waren? Und was um Himmels willen sollte sie darauf antworten? Sie warf einen Blick auf ihr geöffnetes iBook und beschloss, mit ihrer Antwortmail zu warten, bis ihr klar war, was das zwischen ihr und Kara eigentlich war.
»Was ist los?«, fragte Kara. Sie sah Brett direkt in die Augen, und Brett wandte den Blick ab und linste auf das gelbe und rötliche Laub draußen im Innenhof. »Hey.« Kara legte eine Hand auf Bretts Knöchel. »Ich bin’s. Erinnerst du dich?«
Brett merkte, wie sie bei der Berührung von Kara weich wurde. Sie neigte Kara den Kopf zu, und eine Weile saßen sie schweigend da, und Brett merkte, wie sie wieder von dem Anblick des bunten Laubs draußen vor dem Fenster abgelenkt wurde. Eine gelbe Frisbeescheibe kam in Sicht und gleich darauf Benny Cunningham, die lachend hinterherrannte.
»Ich hab eine Idee.« Karas grünlich braune Augen leuchteten hinter den Brillengläsern auf. »Vergiss mal den ganzen Feuer-Schlamassel. Warum schmeißen wir uns nicht in unsere Püdschis und gucken uns im Gemeinschaftsraum Filme an? Ich hätte Lust auf etwas total Kitschiges und Albernes … zum Beispiel Girls Just Want To Have Fun . Der ist so typisch Achtzigerjahre. Ich liebe ihn.« Kara sah Brett erwartungsvoll an.
Brett nickte verhalten und fuhr mit dem Finger das Paisley-Muster auf ihrer fuchsienroten Tagesdecke nach. Mit Kara einen kitschigen Film ansehen klang wirklich verlockend. Nur … im Gemeinschaftsraum von Dumbarton? In ihren Pyjamas? Würde nicht jeder sofort annehmen, dass sie gerade, na ja, die Nacht miteinander verbracht hätten? Brett entdeckte einen losen Faden in der Decke, zog daran und sah zu, wie sich der Stoff kräuselte. Ob Kara wohl sehr beleidigt sein würde, wenn sie vorschlug, einfach nur hier im Zimmer rumzuhängen?
Ehe Brett etwas sagen konnte, flog die Tür auf und knallte an Degas’ Tänzerinnen-Druck an der Wand dahinter. Tinsley stürmte ins Zimmer, heute ganz Unschuldslamm im himmelblauen Oxford-Shirt und weißen Rock mit Lochstickerei. Brett
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