Rashminder Tage 02 (German Edition)
die gleiche Weise würde folgen können. Als junger Mann hatte er stets davon geträumt, mit dem Schwert in der Hand, umringt von den toten Körpern seiner Feinde, als strahlender Held zu fallen. Töricht, wie die Jugend nun einmal war.
Verflucht, da scharrt es schon wieder! Ratten? Zu dieser Jahreszeit? Im Frühsommer waren diese Biester normalerweise nicht so verzweifelt, durch offene Fenster im dritten Obergeschoss einzudringen. Selbst im Winter hätten sie hier oben nichts zu suchen, wo doch die Ställe und der Küchentrakt viel verführerischer waren.
Er lauschte, wartete angespannt mehrere Minuten lang. Nichts.
Schläfrig versuchte Archym, endlich die Sorgen und Gedanken beiseite zu schieben. Es musste längst nach Mitternacht sein, wenn ihn sein Gefühl nicht täuschte. Zeit für ein …
DA!
Mit den lebenslang antrainierten Bewegungen eines Kriegers packte Archym das Kurzschwert, das er stets griffbereit hielt und setzte sich lautlos auf. Ein Schatten, der Umriss eines hochgewachsenen Mannes, glitt durch das offene Fenster. Welcher Narr wagte es, den König anzugreifen?
Die Haltung des Eindringlings, soweit er sie erkennen konnte, zwang Archym Respekt ab – der Mann bewegte sich trotz des fehlenden Lichts mit geschmeidiger Eleganz und traumwandlerischer Sicherheit. Die Nacht war mondlos, kaum vorstellbar, dass er erkennen konnte, ob Hindernisse im Weg lagen und wo genau sich Archym befand.
Er legte sich zurück in sein Kissen, um den wehrlos Schlafenden zu mimen. Die Waffe war in Position, er würde zuschlagen, sobald …
Archym erstarrte. Der Angreifer war wie ein Gespenst neben ihm aufgetaucht und drückte ihm eine scharfe Klinge an die Kehle. Eine starke Hand entriss ihm das Schwert, das mit einem hohlen Klappern zu Boden fiel.
Verloren, dachte Archym, zwischen Wut und Todesangst schwankend. Verloren!
~~*~~
Natt lag schwer in seinen Armen. Tiefe Atemzüge bezeugten, dass er endlich eingeschlafen war. Cael drückte seine Nase in das dichte braune Haar und atmete den Duft des Mannes ein, der ihn so über alle Maßen verwirrte. Nie hätte er gedacht, Natt könnte gleichgeschlechtliche Liebe mögen. Doch das war kein jungfräulicher Hintern gewesen, den Cael sich in der letzten Nacht genommen hatte, so viel war gewiss. Wenn er bloß wüsste, warum Natt anschließend bei ihm geblieben war. Ob er ihm tatsächlich helfen wollte? Nein, ausgeschlossen. Natt war hier, weil Lark es ihm befohlen hatte, jeder andere Grund war undenkbar. Ihm zu vertrauen würde Cael vernichten, auf die eine oder andere Weise. Entweder würde Natt ihn verletzen, sobald er ihn nahe genug an sich heranließ, oder Cael würde sich in ihn verlieben. Er hatte bislang stets die Flucht ergreifen können, bevor es in dieser Hinsicht zum Schlimmsten gekommen war. Unerfüllte Liebe war genauso schlimm wie eine Liebe, die zerbrach, das hatte er allzu oft gesehen. Nein, er würde Natt von sich weisen. Soweit wie möglich Abstand halten. So schwach wie er im Moment war, würde es ihn wortwörtlich umbringen, wenn er enttäuscht, betrogen oder im Stich gelassen werden sollte.
Steh auf!, dachte Cael. Lass ihn los und steh auf. Lauf weg, du bist ihm nicht verpflichtet. Du bist niemandem mehr verpflichtet, Lark braucht keine seelischen Krüppel. Lauf, bevor man dir die Erinnerungen stiehlt wie Eryk.
Er konnte es nicht. Es tat so gut, hier zu liegen und sich an einen warmen, lebendigen Körper zu schmiegen. Viel zu gut. Natt hatte ihn aus diesem Strudel von Angst und tiefschwarzer Verzweiflung gerettet, die ihn stundenlang gebannt gehalten hatte.
Vielleicht schlafe ich ein wenig, bevor ich abhaue, dachte Cael schließlich.
In diesem Moment drehte sich Natt leise grummelnd auf die andere Seite und lag nun mit dem Gesicht zu ihm gewandt. Fasziniert betrachtete Cael den schlafenden Mann, der so friedlich und jung wirkte. Nicht der zornige Krieger, der kaum weniger hart um den Schutz seines Selbst kämpfte als Cael; sondern ein verletzlicher Mensch, dem man nicht ansah, wie viel Elend und Böses er bereits erleben musste.
Cael wollte sich abwenden. Die Augen schließen. Er konnte es nicht. Er war gefangen vom Schwung dunkler Brauen, von der sinnlichen Form der leicht geöffneten Lippen, vom Anblick des schutzlos dargebotenen Halses. Was er sich damit selbst antat, wusste er ganz genau. Aufhören war trotzdem völlig unmöglich.
~~*~~
Natt spürte, dass er beobachtet wurde, noch bevor er wach genug war, um sich zu erinnern, wo
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