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Rasputins Tochter

Rasputins Tochter

Titel: Rasputins Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Alexander
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möglich zurückkehren. Mit Glück könnten wir es sogar zurückschaffen, bevor das kaiserliche Automobil eintraf.
    Ungleich der großen Städte Europas war die Hauptstadt des unlenksamen Russland ironischerweise eine geplante Metropole, von Peter dem Großen entworfen und gemäß seinen strikten Visionen erbaut. Nicht nur waren die Sümpfe trockengelegt und die Flüsse eingedämmt worden, unsere Straßen waren gerade und methodisch, mit Ziegelsteingebäuden gesäumt, die mit dekorativem, buntem Außenputz bedeckt waren. Hinter den endlosen, ordentlichen Fassaden jedoch war es eine andere Angelegenheit. Bogengänge führten zu Gassen, Gassen teilten sich in Gänge auf, und Gänge lösten sich in Nischen und Spalten auf, die verlorenen Ecken, die die verlorenen Charaktere von Dostojewski gerne bewohnte und darin schwelgte, in einem schmutzigen Gemisch aus Angst und Armut verweste. Und es war durch so ein dreckiges Labyrinth, dass ich dem Agenten folgte. Wir hatten nicht lange genug in der Gorochawaja Straße gelebt, um je diesen Weg gegangen zu sein.
    Keine Zeit vergeudend, gingen wir hinüber in den Hof des Gebäudes gegenüber von unserem, hinten hinaus in den hinteren Teile eine anderen, einen schmalen Gang hinunter und in eine Öffnung hinter noch einem anderen Gebäude. Der Agent führte kühn den Weg an, ohne zu zögern, als ob er viele Male diesen Pfad gegangen wäre, und ich konnte mich nur wundern, was im Namen des Teufels meine Vater hier hinten tat. Wie oft war er zu seinem scheinbar geheimen Platz verfolgt worden? War es eine winzige Kneipe, wo Alkohol trotz des Kriegszeitverbotes verkauft wurde? Ein kleines Café, wo er seine Menschenmenge an täglichen Besuchern entkommen konnte?
    „Warten Sie hier“, befahl der Agent und zeigte zu dem verschneiten Grund mit einem scharfen behandschuhten Finger. „Ich werde ihn gleich herausbringen.“
    Ich gehorchte wie ein gehorsamer Trottel, der zu einem schnellen Stillstand kommt. Und wie ein bemitleidenswerter Hund folgten meine Augen dem Agenten, wobei sie traurig zusahen, als er hinunter zum Ende des Gebäudes weiterging und um die Ecke verschwand. Warum, fragte ich mich, konnte ich nicht weitergehen? War dort etwas, was ich nicht sehen sollte? Ich blickte die Rückseite des harmlosen Gebäudes hoch und bemerkte eine Handvoll einfacher Fenster und zwei große Abflussrohre, die sich halb an das Gebäude klammerten. Was für Geschäfte hatte mein Vater dort drinnen?
    Aus dem Nichts hörte ich Papas unmissverständliche Stimme, tief und volltönend. Sofort wirbelte ich herum. War es aus dem Gebäude hinter mir gekommen? Nein, erkannte ich, als ich auf eine riesige leere Wand blickte, die in einem müden Apfelgrün gestrichen war. Papas Stimme war völlig davon abgeprallt. Als ich mich zurückdrehte, suchte ich die Gasse, die Wand ab und hörte es wieder. Nicht nur seine Stimme, sondern die lachende, verführerische Stimme einer Frau. Ich schaute überall - Nische, Türeingang, Dach - und dann erspähte ich es, eine fortotschka - eine kleine Oberlichte - die einen Spalt offen war, weil wir Russen natürlich süchtig nach frischer Luft im Sommer und im Winter waren. Ja, erkannte ich, indem ich mich instinktiv darauf zubewegte. Papa war in einem Zimmer im Erdgeschoß gleich dort drüben, das eine mit der brennenden Glühbirne, die von der Zimmerdecke baumelte.
    Ich hätte nichts tun können. Ich hätte einfach auf den Sicherheitsagenten warten können, meinen Vater aufzustöbern und ihn hinauszutreiben. Aber das war nicht meine Natur. Und das waren keine passiven Zeiten. Außerdem wollte ich Informationen, Stückchen, die ich zusammenkleben konnte, um ein realistisches Bild von meinem mysteriösen Vater zu schaffen.
    Und so, ohne wirklich nachzudenken, nur wissend, dass ich musste, eilte ich vorwärts. Von der Seite des Gebäudes schnappte ich eine verlassene Holzkiste und schleppte sie unter das Fenster, die mehrere arzhini vom Boden entfernt stand. Als ich auf die Kiste kletterte, hörte ich wieder die tiefen Töne der Stimme meines Vaters, die aus dem Fenster darüber sickerten und über mich wie ein bizarrer Luftzug flossen. Merkwürdige Worte strömten über mich, Dinge, die ich nicht ganz verstand … und doch verstand, denn sie waren ähnlich den tiefen, lustvollen Worten, die Sascha einst in mein Ohr geflüstert hatte. Mein Herz verkrampfte sich, mein Puls trat wie ein Pferd. Ich sollte das nicht tun, aber ich konnte gewiss auch nicht aufhören.
    Den Rand des

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