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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Wenn man sie richtig einsetzt, wird aus ihr Macht. Und Macht macht sexy.«
    »Sexy. Du hast vielleicht Probleme.« Bubi nippte an seinem Wasser. »Ganz schöner Mist das Ganze.«
    »Geht so.«
    »Geht so?« Bubi verdrehte die Augen. »He, weißt du eigentlich, dass ich heute die Bilder meines Lebens geschossen habe? Und – kann ich was mit ihnen anfangen? Kann ich sie verkaufen, an irgendeinen gierigen Fernsehsender verkaufen? Morgen ist die ganze Arbeit wahrscheinlich wertlos! Morgen haben die bestimmt ihre eigenen Reporter überall hingeschickt, morgen ist mein ganzer Dreck nicht mehr aktuell – Schnee von gestern.«
    »Gut möglich.«
    »Soll ich dir mal was sagen, Martin? Ich dachte ein paar Stunden wirklich, das wäre meine Chance aus diesem Nest hier rauszukommen!« Bubi kratzte sich hinterm Ohr. »Weißt du, ich hab echt keinen Bock so zu enden wie mein Alter! Den ganzen Tag buckeln und dann, mit sechzig, wenn du Glück hast, machst du den Schirm zu und fertig. Das war’s.«
    Kiefer lächelte und nickte.
    Die Tür wurde aufgerissen und Christoph Eisele kam herein.
    »Oh, unser Beerdigungsunternehmer kommt!« Uwe Sigg, der, seit sie den Bagger bei Wünsche abgeholt hatten, eine Zeitlang unauffindbar gewesen war, prostete Eisele zu. »Komm her, Mann, ich geb dir einen aus!«
    »Eine Dusche wäre mir lieber! Läuft denn bei niemandem mehr Wasser?«
    »Geh an den Bach. Der läuft noch!«
    »Oder warte, bis es regnet.«
    Bubi Faust, der von dem, was um ihn und Kiefer herum vorging, nichts wahrzunehmen schien, redete weiter: »Ich hab keine Lust mehr auf die vorwurfsvollen Sprüche meines Vaters und auf meine Mutter, die den ganzen langen Tag durch das Haus schleicht und irgendwo putzt, wo es nichts zu putzen gibt und aufräumt, wo alles aufgeräumt ist. Ständig ist sie mir auf den Fersen, weißt du. Und weißt du, was das wirklich Schreckliche dabei ist? Sie sagt, egal was ist, kein Wort. Sie meckert nicht, schimpft nicht, bittet nicht. Aber sie gibt einem das Gefühl, nichts richtig machen zu können!«
    »Kenn ich«, sagte Kiefer ohne sichtliches Interesse.
    »Und dann dieses dämliche Flugzeug heute. Ein Geschenk des Himmels – rums, genau vor meine Haustür geschmissen! Du kannst dir wirklich nicht vorstellen, was für geile Bilder ich heute gemacht habe! Jeder hätte mir die aus der Hand gerissen und ich hätte endlich mal richtig fett Kohle machen können! Und dann wär’ ich abgehauen, Mar tin, irgendwohin. ’ne tolle Hütte, Auto und Weiber ohne Ende …!«
    »Wer sagt denn, dass die Chance vorbei ist?«, fragte Kiefer und lächelte. Wieder dieses unergründliche Lächeln, seltsam und ein wenig kalt.
    »Wie meinst du das?«
    Kiefer zuckte die Schultern. »Wer weiß.«
    »Komm schon, mach hier nicht einen auf geheimnisvoll! Davon hab ich für heute echt genug, du! Los sag, was hast du eben gemeint?«
    »Na ja«, zögerte Kiefer, obwohl ihm anzusehen war, dass er längst beschlossen hatte, mit Bubi über ein bestimmtes Thema zu sprechen.
    »Stell dir vor Bubi, alles bleibt so, wie es seit heute früh ist.«
    »Komm, lass den Scheiß!« Bubi Faust schien ehrlich entrüstet. »Wenn morgen früh mein Handy nicht geht, dreh ich durch!«
    »Stell es dir einfach mal vor. Nur so. Nur als Hypothese. Was meinst du, wer …«
    Mit einem lauten Knall stellte Sattler sein Glas vor sich auf den Tisch. Er hatte es kurzentschlossen in einem Zug leer getrunken.
    »In ganz Bonndorf«, begann er heftig und hielt Kiefer dabei den Zeigefinger vor das Gesicht, »und bei keinem der sieben Ärzte dort war Insulin zu bekommen! Entweder war alles abgeschlossen oder eine Sprechstundenhilfe hat mich wieder rauskomplimentiert. ›Tut uns leid, aber Frau Doktor ist leider nicht Ihre Hausärztin‹ oder ›Nein, wir können Sie bedauerlicherweise nicht behandeln. Wissen Sie, unser Lesegerät für Ihre Versichertenkarte funktioniert gerade nicht. Kommen Sie doch morgen wieder!‹ Könnt ihr euch das vorstellen? Ich soll morgen wiederkommen! Und was ist, wenn ich morgen im Eimer bin? In der einen Apotheke haben die mir nichts gegeben, weil ich kein Rezept hatte und die andere Apotheke war geplündert.« Ihm schien ein Gedanke zu kommen, denn plötzlich blitzte so etwas wie Hoffnung in seinen Augen auf. »Könnt ihr nicht morgen früh mit mir nach Waldshut fahren? Oder nach Donaueschingen oder Neustadt? Ist egal wohin, Hauptsache in ein Krankenhaus. Die haben doch immer haufenweise Insulin rumliegen. Was meint ihr, wir können auch

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