Raumfahrergarn
»Redet nicht um den heißen Brei herum. Denkt nach. Wir müssen die Piraten lang genug aufhalten, damit die Zaid-Dayan den Orbit vom Ambrosia erreichen kann.«
Eine Zeitlang sagte niemand etwas. In der angespannten Atmosphäre der Offiziersmesse wurden nicht einmal Blicke gewechselt.
»Was ist, wenn wir abheben? Könnten wir ihnen nicht entkommen?« wandte Vir sich an Wendell, den Piloten.
»Keine Chance«, sagte Wendell traurig. »Unsere Motoren bringen nicht genug Leistung, um uns für einen Warpsprung weit genug hinauszukatapultieren. Sie würden uns unterwegs erwischen.«
»Also hängen wir auf diesem Planeten fest, während die Jäger uns ins Visier nehmen«, knurrte Dondara und fuhr sich mit beiden Händen durchs staubige Haar. Er hatte die Strecke von den Teichen bis zum Schiff in dreißig Minuten zurückgelegt, nachdem er Flors Notruf erhalten hatte. Lunzie bewunderte die Kondition des Schwerweltlers außerordentlich.
Scarran räusperte sich. Mit seinen ständig geröteten Augen wirkte er abwechselnd cholerisch oder schläfrig, dabei hatte er von Natur aus ein sanftes Wesen.
»Wie war’s mit einer gefährlichen Krankheit? Wir sind alle tot oder sterben gerade daran«, schlug er mit wenig überzeugender Stimme vor. »Eine äußerst ansteckende Krankheit, für die wir kein Gegenmittel finden.«
»Nein, das würde nicht funktionieren«, spottete Pollili und zog die Brauen zusammen. »Selbst wenn sie einer Spezies angehören, die uns ähnlich genug ist, um sich anzustecken, würden sie eher unser Schiff in die Luft jagen, um den Erreger auszurotten, und danach landen, wo es ihnen paßt.«
»Wie wär’s mit einer Naturkatastrophe?« fragte Elessa. Flor und Scarran nickten. »Instabile Tektonik? Ein Erdbeben! Ein Vulkan, der in Kürze ausbrechen wird? Die Piraten haben einen Teil ihrer Sensorenkapazität für eine stärkere Bewaffnung geopfert.«
»Möglich«, sagte Pollili gedehnt. »Aber selbst die einfachsten Telemetriesysteme warnen einen, wenn man auf einem unsicheren Untergrund landen will. Und aktive Vulkane zeigen sich im Infrarot als heiße Flecken.«
»Wie wär’s mit einer feindlichen Lebensform?« fragte Lunzie und wurde von den anderen niedergebrüllt.
»Was denn, angriffslustige Frettchen?« Elessa hob die Zwergschlange mit dem schwarzen Fell hoch, die sich um ihr Handgelenk wand und mit einem hauchenden Gurren zu verstehen gab, wie wohl sie sich fühlte. »Wenn die Piraten es auf Ambrosia abgesehen haben, obwohl die FES die Existenz des Planeten noch kaum zur Kenntnis genommen hat, dann wissen sie schon, was hier unten kreucht und fleucht – außer uns. Tut mir leid, Leute.«
»Moment mal«, sagte Bringan und hob die Hand. »Lunzie hat einen vernünftigen Vorschlag gemacht, der eine Diskussion verdient. Lunzie …«
»Ich hatte ein freies Bakterium im Sinn, das in unsere Atemorgane eindringt und sie mit Schleim verstopft«, warb Lunzie für ihre Idee. »Fünf unserer Offiziere sind bereits ausgefallen. Nichts, nicht einmal Atemmasken, scheinen es ausfiltern zu können. Ich fürchte, daß es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Männer an Sauerstoffmangel sterben. Der Organismus wurde in unseren ersten Berichten nicht erwähnt, weil er während der Wintermonate inaktiv ist. Wenn sich das Klima in den Sommermonaten aufwärmt, vermehrt sich der Erreger wie verrückt. Wir sind alle infiziert. Ich habe gerade entdeckt, daß er ins Belüftungssystem eingedrungen ist und sich in den Filtern festgesetzt hat. Ich bezweifle, ob wir mit einer verseuchten Luftwiederaufbereitungsanlage je wieder starten können. Ich stelle Ambrosia für unbegrenzte Zeit unter Quarantäne. Für einen Mediziner ist es die einzige moralisch vertretbare Maßnahme. Ich bin als Expertin sogar der Ansicht, daß die ARCT-10 in echter Gefahr schwebt, weil Zebara und Wendell an Bord waren, um der Administration Bericht zu erstatten. Ihre Lungen waren bereits kontaminiert, und die Luft, die sie ausgeatmet haben, zirkuliert jetzt im Belüftungssystem der ARCT-10. Lungen sind immer warm -zumindest solange der Wirt noch nicht gestorben ist.«
»Was? Wovon reden Sie?« fragte Vir und wurde blaß.
»Was ist dieses Bakterium?« wollte Elessa wissen. »Ich habe hier nie eines beobachtet, und ich habe alle Proben präpariert!«
»Er heißt Pseudococcus pneumonosis.« Lunzie lächelte verschmitzt. Sie freute sich über die erstaunlichen Reaktionen auf ihre kleine Lügengeschichte. »Verstehen Sie, ich habe ihn gerade entdeckt.
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