Raumkapitän Sun Tarin
man dich nur beglückwünschen.«
»Danke«, antwortete ich.
Die grauen Augen von Sun-Tarin dem Älteren ruhten auf mir.
Seine Schnabelhälften erzeugten ein schabendes Geräusch.
»Wirst du mit mir zusammen die Reinigungszeremonie im Tempel durchführen?«, fragte ich.
»Natürlich.« Ich spürte gleich, dass er mir noch etwas anderes sagen wollte. Er zögerte, und ich ahnte bereits, worauf es hinauslief. Schließlich sagte er: »Mein Eibruder könnte dir einen Posten bei den Seraif verschaffen.«
»Feran-San meint es sehr gut mit mir.«
»Ja, du kannst froh sein, dass du mit ihm verwandt bist.«
Ironie ist uns Kridan fremd. Ich lernte sie erst bei den Menschen wirklich kennen, und es fiel mir schwer, zu begreifen, weshalb es einer gelungenen Kommunikation dienen kann, etwas zu sagen und das Gegenteil zu meinen. All meinen menschlichen Lesern, die diese Zeilen eines Tages aus dem Datennetz abrufen, kann ich also versichern, dass die Bemerkung meines Eivaters ganz sicher nicht ironisch gemeint war.
»Du hast nicht die Fähigkeiten, die man braucht, um den Seraif anzugehören«, sagte er.
Es war eine sachliche Feststellung, aber sie traf mich wie der Hieb mit einer Kampfklaue.
»Nicht einmal Feran-San würde mir das anbieten, wenn er der Meinung wäre, dass ich es nicht schaffen könnte.«
»Dann ist seine Einschätzung schlicht und ergreifend falsch. Du solltest zunächst Erfahrungen im regulären Flottendienst sammeln. Ein Tanjaj-Kommandant, so wie ich einer bin und dein Großvater einer war …«
Menschen sind es gewohnt, Entscheidungen über ihr Leben weitgehend selbst zu treffen. Das gibt ihnen zumindest das Gefühl individueller Autonomie, und selbst jene, die tiefgläubig sind und den unter den Schnabellosen verbreiteten Kulten angehören, trauen den Mächten, an die sie glauben, nicht einmal zu, dass sie es sind, die ihr Leben bestimmen und sie führen.
Das ist in der Tat ein fundamentaler Unterschied zwischen unseren Völkern und Kulturen.
Wir verlangen von unserem Gott, dass er mit unserer Hilfe die Ordnung im Kosmos etabliert – einem Kosmos, der von seiner Natur her eigentlich chaotisch, kalt und tot ist. Aber die göttliche Macht schafft es, dies ins Gegenteil zu verkehren.
Ein Kridan begibt sich demütig unter die Führung der höheren Macht, an die er glaubt. Er verzichtet darauf, die Illusion zu erzeugen, er sei der Herr seines Schicksals.
Das ist niemand.
Kein Mensch und kein Kridan.
Kein Gläubiger und kein Ungläubiger.
Den einen ist es nur bewusst, dass es so ist – den anderen nicht.
Ich kommandierte ein kleines Schiff und nahm an einer gewaltigen Raumschlacht teil, die am Rande eines Systems stattfand, dem die Menschen den Namen New Hope gegeben haben. Es liegt am äußeren Rand des Einflussgebietes, das von der Menschheit beansprucht wird. Innerhalb sehr kurzer Zeit gewannen die dortigen Kolonien großen Einfluss. Und zweifellos musste man New Hope als Ausgangspunkt für weitere Eroberungspläne der sogenannten Solaren Welten innerhalb des Niemandslandes sehen.
Die strategischen Gründe, fast die gesamte Schlagkraft der Flotte gegen dieses System zu wenden, lagen auf der Hand.
Für uns wäre New Hope II ein hervorragender Ausgangspunkt für eine Eingliederung der Solaren Welten in die Göttliche Ordnung des Heiligen Imperiums gewesen. Die industrielle Basis wäre vorhanden gewesen, um sehr schnell eine hervorragende und effektive Produktion von kriegswichtigen Produkten aller Art aufnehmen zu können.
Tatsache ist, dass diese Schlacht mit einem Ergebnis endete, das man allenfalls als ein Unentschieden betrachten konnte.
Ich vermute, jede der beiden sich bekämpfenden Seiten hat es gegenüber den eigenen Leuten als Sieg verkauft.
Das Verbiegen der Wahrheit im Dienste der Propaganda ist unter der gegenwärtigen menschlichen Gesellschaftsordnung zwar verpönt, aber ein oberflächlicher Blick in die Geschichte dieser Zivilisation (welch großes Wort für ein Sternenreich von Heiden!) zeigt, dass man in dieser Hinsicht in früheren Epochen weitaus weniger Skrupel kannte.
Mein Schiff wurde so stark beschädigt, dass ich, im Rückblick gesehen, froh sein kann, es damit überhaupt noch einmal zu einer kridanischen Werft geschafft zu haben.
Wir hatten furchtbare Verluste während der Schlacht um New Hope erlitten. Unsere Führung hatte alle verfügbaren Kräfte in die Schlacht geworfen, um den Widerstand der Menschen und der mit ihnen verbündeten
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