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Raumschiff Monitor - Alle sechs Romane

Titel: Raumschiff Monitor - Alle sechs Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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Seidenschwanz eines fremdartigen Tieres an seinem Unterkiefer befestigt. Übrigens war der Bart so schwarz wie seine Augen und seine Brauen. Michas Staunen galt den Schuhen. Sie waren schmal, aber langgebogen wie zwei kleine Kanus. Superhirn aber betrachtete den Stock, den der Mann trug. War das ein Stock – oder war es ein Gerät?
    Als der Anblick des gespenstischen Hochmoormenschen genügend auf die Gefährten gewirkt hatte, blickte Tati zu Superhirn, als wolle sie sich vergewissern, ob der Junge ihnen vielleicht wieder einen Streich spielte. Doch hier, natürlich wußte sie das längst, war nichts zu hoffen. Eine Gestalt wie die, die jetzt vor ihnen stand, konnte selbst der geübteste Verwandlungskünstler nicht so schnell annehmen.
    Merkwürdig war Loulous Verhalten. Der Zwergpudel hockte friedlich neben Micha und betrachtete den unheimlichen Hochmoormenschen mit schiefem Kopf, als erwarte er von ihm einen Keks. Er knurrte, schniefte und zitterte nicht.
    »Was hat euch denn die Sprache geraubt?« erkundigte sich der Mann mit dem gelben Kahlschädel. Wieder klang seine Stimme sanft und einschmeichelnd. Es war wie ein leiser Gesang. Sein Blick ruhte jetzt auf Micha.
    Der Junge trat von einem Bein aufs andere. »Na ja ...«, begann er, »diese komische Wand aus Luft – oder was das war. Superhirn sagt, der Wind vom Meer ist hier so stark, weil wir am Meer sind. Aber ich weiß, daß es eine Wand war, die ich nicht sehen konnte. Ich bin immer dagegengelaufen. Die anderen auch! Die sind ...«
    »Der Kleine versteht nichts von Meteorologie«, unterbrach Superhirn rasch. »Wir sind wohl in eine Turbulenz, einen Luftwirbel, gekommen, das hat ihn verwirrt!«
    »Aber ...«, sagte Tati. Doch sie schloß den Mund sogleich. Sie begriff, daß Superhirn dem Fremden nichts von seinen Beobachtungen mitteilen wollte.
    »Der Pfeil ist ganz oben in der Luft steckengeblieben!« rief Micha. Schon fragte der Unheimliche: »Welcher Pfeil?«
    »Ich habe mit meinem Feldbogen auf einen Vogel geschossen«, log Superhirn. »Der Pfeil ist hier irgendwo zu Boden gegangen – na, ich werde ihn schon finden.« Es war ja klar, daß der Pfeil nach Auflösung der Abschirmglocke den Halt verloren hatte und auf die Erde gefallen war. Die schwarzen Augen des Kahlschädligen musterten die Gefährten: »Seid ihr aus Marac?«
    »Wir sind Freunde der Familien Bertrand und Dix«, erwiderte Henri. »Herr Bertrand hat Herrn Dix gebeten, uns hier zelten zu lassen.«
    »Hier?« fragte der Mann.
    »Nun ja«, Henri kratzte sich unbehaglich hinterm Ohr, »nicht direkt hier. Den westlichen Teil des Moores sollten wir meiden. Ebenso die Klippen. Herr Dix hat auch gesagt, dieses Land sei verkauft.«
    Der Kahlschädlige strich sich den Bart. »Ja«, nickte er, »und der Eigentümer bin ich. Hat euch Herr Dix nie etwas von mir erzählt?«
    Die Freunde starrten einander an.
    »Von Ihnen?« rief Henri. »Nein! So wahr ich lebe! Keiner von uns wußte, daß es hier einen – einen Mann gibt, der der ...«
    »Der so einen Stock in der Hand trägt, wie?« lächelte der Unheimliche.
    »Was ist denn das für'n Stock?« fragte Micha ängstlich. »Ein Zauberstab, mit dem Sie Schlafstrahlen ...«

    Sofort gab ihm Henri einen Rippenstoß. Der Kleine verstummte.
    Die »Schlafstrahlen« schien der alte Mann überhört zu haben. Er lachte. Er lachte so wohltönend und herzlich, daß er den anderen plötzlich ganz normal erschien. Sie begriffen nicht, warum sie sich eben noch vor ihm gefürchtet hatten. Mochte hier auch Seltsames geschehen sein – warum sollte es sich um ein Gespenst handeln? Der oft so furchtsame Pudel lief sogar zu ihm hin und beschnupperte seine Schuhspitzen!
    Nein, der alte Mann war sicher nur ein Kauz, ein menschenscheuer Eremit, ein Einsiedler, der sich in das einsame Moor zurückgezogen hatte. Wahrscheinlich, weil ihn die Leute wegen seines kahlen Schädels und seiner merkwürdigen Erscheinung immer verspotteten.
    »Das, was ich in der Hand halte, ist kein Zauberstab«, lächelte der hagere Riese. »Es ist ein Feldstock, ein wissenschaftliches Gerät zur Entnahme von Bodenproben.« Er wies zu den Klippen hinüber: »Das ist mein Arbeitsgebiet!«
    »Sind Sie Bildhauer?« fragte Gérard einfältig.
    »Ach, du meinst, ich forme Köpfe oder Tiergestalten aus den Felsbrocken? Nein, nein. Ich bin Geochronologe!«
    »Geochrono ...«, begann Henri.
    »Spezialist für die Altersbestimmung von Steinen«, erklärte der Mann. »Brutto Charivari ist mein Name, Professor

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