Raumschiff Promet - Sternenabenteuer 1: Am Abgrund der Zeit
Doc. Entweder wagen wir diesen Vorstoß, oder wir versuchen, diesem Tunnel zu entkommen und begeben uns auf eine vielleicht mehr als zwanzig Jahre lange Reise. Sollte dieses Gebilde auch weiterhin stabil bleiben, könnten wir es als Zeitmaschine benutzen, noch einmal zurückkehren und vielleicht auch einiges ändern. Ein wenig Erfahrung haben wir ja schon.«
Die Abstimmung brachte genau das von Stafford erwartete Ergebnis: Ausnahmslos alle stimmten dafür, das Experiment zu wagen.
Stafford handelte sofort und ließ keine Zeit verstreichen. Sekunden später schon begannen die DeGorm-Triebwerke zu arbeiten und beschleunigten die HERAKLES in atemberaubendem Tempo.
Die Fahrt verlief jedoch merkwürdiger, als man sich das vorgestellt hatte. Um sie herum war zwar das normale Universum, doch der Raumer bewegte sich wie in einer großen Blase darin. Ein Kontinuum für sich, hervorgerufen durch die starke Raumzeit-Krümmung, die die HERAKLES fortlaufend beschleunigte.
Bei normaler Unterlichtfahrt bewegten sich die Sterne kaum und zogen nur langsam vorbei, wenn man sie genau fixierte.
Hier war es anders, ganz anders.
Fixsterne kamen scheinbar angerast und wurden zu gestrichelten Linien, die beim Passieren als glutende Striche schnell wieder verschwanden.
Der Tunnel, linear zum irdischen Sonnensystem verlaufend, funktionierte mit beängstigender Präzision. Vermutlich war er für ein anderes Raumschiff, das mit normaler Unterlichtfahrt dahinraste, nicht einmal sichtbar.
»Eine Art Intervallfeld …«, sagte Colnar, »das uns anscheinend mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit transportiert und uns schneller fortbewegt als im Hyperraum. Das ist wirklich eine umwerfende Entdeckung. Ich kann es einfach nicht glauben.«
»Seltsamerweise gehen auch die Uhren wieder normal«, bemerkte Beauregard. »Ob diese Passage nur in einer Richtung funktioniert?«
»Das werden wir feststellen, falls das Wurmloch seine Stabilität behält«, erwiderte der Captain. »Ich werde aber trotzdem das Gefühl nicht los, als würden wir in der Zeit zurückkatapultiert werden.«
Während der Raumer durch Zeit und Raum dahinraste, checkte Beauregard den Computer durch und überprüfte die einzelnen Stationen. Dabei stellte sich heraus, daß alle Abteilungen reibungslos funktionierten – bis auf die Kryobin-Station, die spurlos verschwunden war.
Ein weiteres unerklärliches Phänomen tauchte auf, als die HERAKLES die Passage durchquert hatte und sich im anderen Teil des blasenförmigen Gebildes befand.
Es betraf den Ersten Offizier, Holger Leach. Teile seines stofflich instabilen Körpers begannen sich unmerklich zu regenerieren. Anfangs waren es nur Schatten, die sich andeuteten, dann wurden die fehlenden Teile wieder sichtbar. Auch seine tiefe, eigentümliche Stimme nahm langsam wieder einen normalen Klang an. Den anderen fiel es erst auf, als er sich an Stafford wandte.
»Wir könnten einen Hyperfunkspruch nach Terra absetzen, Sir, und Commander Sinner unsere Ankunft avisieren. Ich frage mich nur, wie man das – rein zeitlich gesehen – präzise ausdrückt.«
»Geben Sie Bordzeit an«, riet der Captain. »Relative Bordzeit, wie Kalender und Uhren es anzeigen.«
»Aye, Sir.«
Leach befühlte sein Gesicht, als seien ihm Bartstoppeln gewachsen. Verwundert tastete er an sich herum.
»Scheint so, als würde sich bei mir etwas verändern.«
»Scheint nicht nur so«, meinte Stafford freundlich. »Es entspricht durchaus den Tatsachen. Ich hatte fast damit gerechnet. Im Normalraum dürften Sie sich vermutlich restlos regeneriert haben.«
Bevor Leach den Hyperfunkspruch an Terra durchgab, wandte er sich noch einmal an Stafford.
»Das mit der Zeit, Sir – ich kann keine Zeit für unsere Ankunft angeben. Wir wissen ja nicht, wie lange wir für die Strecke zum Mondorbit noch benötigen.«
»Verwenden Sie die neutrale Bezeichnung in Kürze. Commander Sinner mag sich darunter vorstellen, was er will. Ob der Funkspruch in diesem … Intervallfeld überhaupt durchkommt, ist auch noch ungewiß. Versuchen Sie es aber trotzdem.«
Der Hyperspruch ging hinaus, doch es erfolgte keine Antwort.
Immer wieder blickte Stafford auf die Borduhren am Terminal. Zeit war ein Begriff geworden, der kaum noch Gültigkeit hatte. Zeit war wie Sand, der einem durch die Finger rann, denn im Black Hole hatte sich alles umgekehrt und war zu einem unberechenbaren Faktor geworden. Er konnte nicht einmal genau angeben, wie lange die Reise gedauert hatte, und mußte sich an
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