Raumstation Erde
bleiben konnte, daß er in über hundert Jahren der Berührung mit diesen Wesen von vielen Sternen ein Mann der Erde geblieben war.
Denn seine Bindungen an die Erde waren fast alle abgeschnitten. Der alte Winslowe Grant war der einzige Mensch, mit dem er sprach. Seine Nachbarn mieden ihn, und andere Leute gab es nicht, außer den Beobachtern, die er selten sah - meist nur die Stellen, wo sie sich aufgehalten hatten.
Nur der alte Winslowe Grant und Mary und die anderen aus den Schatten, die gelegentlich kamen, um einsame Stunden mit ihm zu verbringen.
Mehr hatte er von der Erde nicht, den alten Winslowe und die Schattenwesen und das Land um sein Haus - aber nicht das Haus selbst; denn das war ihm fremd geworden.
Er schloß die Augen und erinnerte sich, wie das Haus früher ausgesehen hatte. Eine Küche, dort, wo er jetzt saß, mit dem eisernen Herd: schwarz und unförmig in der Ecke. An die Wand geschoben der Tisch, an dem sie zu dritt gegessen hatten, und er wußte noch, wie der Tisch ausgesehen hatte, mit dem Essigfläschchen und dem Glas für die Löffel, dem drehbaren Tablett mit Senf, Meerrettich und der Chili-Sauce, eine Art Mittelpunkt auf dem rotkarierten Tischtuch.
Da war eine Winternacht gewesen, und er schien nicht älter als drei oder vier Jahre gewesen zu sein. Seine Mutter stand am Herd und kochte das Abendessen. Er saß mitten in der Küche auf dem Boden, spielte mit ein paar Klötzchen, und draußen hörte er das gedämpfte Heulen des Windes, der am Dach entlang flirrte. Sein Vater war vom Melken hereingekommen, hatte Wind und Schnee mit in die Stube gebracht. Dann hatte er die Tür zugemacht, Wind und Schnee blieben draußen, ausgeschlossen, verdammt in die Dunkelheit und Wildnis der Nacht. Sein Vater stellte den Milcheimer auf das Spülbecken, und Enoch sah, daß Bart und Augenbrauen mit Schnee verkrustet waren, daß kleine Eisklümpchen an seinem Schnurrbart hingen.
Er hielt dieses Bild fest, drei Menschen, wie historische Puppen in einem Museum - sein Vater mit dem Frost im Bart und den langen Filzstiefeln, seine Mutter mit gerötetem Gesicht von der Arbeit am Herd, die Spitzenhaube auf dem Haar, und er selbst am Boden,
beim Spiel mit den Klötzchen.
Es gab noch etwas, woran er sich erinnerte, vielleicht deutlicher als an alles andere. Auf dem Tisch stand eine große Lampe, an der Wand dahinter hing ein Kalender, und der Lampenschimmer fiel wie der Strahl eines Scheinwerfers auf das Bild. Da war der Weihnachtsmann, in seinem Schlitten durch winterliche Landschaft fahrend. Über den Bäumen hing ein großer Mond. Zwei Hasen saßen da, starrten Santa Claus seelenvoll an, und ein Reh neben den Hasen, ein Waschbär knapp dahinter, den Schwanz um die Beine geringelt, und ein Eichhörnchen einträchtig mit einer Meise auf einem Ast. Santa Claus hatte die Peitsche grüßend erhoben, seine Backen waren rot, sein Lächeln fröhlich, und die Rentiere vor seinem Schlitten waren frisch, munter und stolz.
Durch all die Jahre war dieser Weihnachtsmann des neunzehnten Jahrhunderts die verschneiten Wege der Zeit entlanggezogen, mit erhobener Peitsche, in fröhlichem Gruß an die Waldbewohner. Und der goldene Lampenschimmer hatte ihn begleitet, hell an der Wand, auf dem karierten Tischtuch.
So dauern manche Dinge, dachte Enoch - die Erinnerungen und der Gedanke und die heimelige Wärme einer Küche in einer stürmischen Winternacht.
Aber die Dauer gehörte der Seele, denn nichts anderes blieb. Jetzt gab es keine Küche mehr, auch keine gute Stube mit dem altmodischen Sofa und dem Schaukelstuhl; kein Besuchszimmer mit der biederen Eleganz von Brokat und Seide, kein Fremdenzimmer im Parterre, keine Schlafzimmer für die Familie im ersten Stock.
Alles war verschwunden, nur noch ein Raum existierte. Das erste Stockwerk und alle Zwischenwände hatte man entfernt. Das Haus bestand aus einem einzigen großen Raum. Eine Hälfte davon war die galaktische Station, die andere diente als Wohnraum für den Stationsaufseher. Drüben in der Ecke stand ein Bett, daneben ein Ofen, der nach einem auf der Erde unbekannten Prinzip arbeitete, und ein Kühlschrank fremder Bauart. Die Wände waren ausgefüllt mit Schränken und Regalen, voll Zeitschriften, Büchern und Journalen.
Aus der Zeit vorher war nur eines geblieben, was Enoch den Fremden nicht wegzutragen erlaubt hatte - der massive alte Kamin aus Ziegeln und Stein, der eine Wand des Wohnzimmers ausgefüllt hatte. Er stand immer noch da, die einzige Erinnerung an die
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