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Raumstation Erde

Raumstation Erde

Titel: Raumstation Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clifford D. Simak
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der Erde. Und was hältst du davon? fragte er den Fluß. Denn dein ist die Erinnerung und die Perspektive und die Zeit, und jetzt müßtest du die Antworten wissen, oder wenigstens einige davon.
    Wie der Mensch einige Antworten wüßte, hätte er schon ein paar Millionen Jahre gelebt - wie er die Antworten mehrere Millionen Jahre von diesem Sommermorgen an wissen müßte, gäbe es ihn dann noch.
    Ich könnte helfen, dachte Enoch. Ich könnte nicht alle Antworten geben, aber ich könnte dem Menschen bei seiner Suche danach behilflich sein. Ich könnte ihm Sicherheit und Hoffnung und Entschlußkraft geben, wie er sie noch nie besessen hat.
    Aber er wußte, daß er es nicht wagen durfte.
    Tief unten segelte ein Habicht in lässigen Kreisen über der Straße des Flusses. Die Luft war so klar, daß Enoch glaubte, mit ein wenig Anstrengung jede Feder in den ausgebreiteten Flügeln unterscheiden zu können.
    Über diesem Land liegt ein beinahe märchenhafter Glanz, dachte er. Die weite Sicht, die klare Luft und das Gefühl des Losgelöstseins. Als sei dies ein besonderer Ort, den jeder Mensch selbst suchen muß, und wo er sich glücklich schätzen darf, denn es gab viele, die suchten und niemals fanden. Und schlimmer noch, es gab sogar solche, die nie suchten.
    Er stand auf dem Felsen und starrte über den Strom hinweg, beobachtete den lässigen Habicht und die Wasserfluten und den grünen Waldteppich, und seine Gedanken flogen hinaus zu den anderen Planeten, bis ihn schwindelte. Er rief sie zurück.
    Langsam drehte er sich um, stieg wieder hinunter und wanderte durch den Wald, dem im Laufe der Jahre ausgetretenen Pfad folgend.
    Er überlegte, ob er den Berg ein Stück hinuntergehen und den rosafarbenen Frauenschuh besuchen sollte, um nachzusehen, wie er gedieh, um die Schönheit heraufzubeschwören, die ihn im Juni erwartete, entschied sich aber dagegen; denn die Blüten waren wohlversteckt an einer schwer zugänglichen Stelle.
    Es konnte ihnen nichts zugestoßen sein. Es hatte eine Zeit gegeben, vor über hundert Jahren, da blühten sie auf jedem Berg, und er war mit ein paar Armvoll nach Hause gekommen, seine Mutter hatte sie in den großen, braunen Krug gestellt, und für ein, zwei Tage war das Haus von ihrem schweren Duft erfüllt. Aber jetzt fand man sie kaum noch. Das weidende Vieh und blumensuchende Menschen hatten sie von den Matten gefegt.
    Eines Tages, sagte er sich, eines Tages vor dem ersten Frost würde er sie wieder besuchen und sich vergewissern, daß sie im Frühling blühen würden.
    Er blieb eine Weile stehen, um einem Eichhörnchen zuzusehen, das in einer Eiche herumhüpfte. Er kauerte nieder, um eine Schnecke zu beobachten, die seinen Weg gekreuzt hatte. Er blieb neben einem großen Baum stehen und untersuchte das Moos an seiner Rinde. Und er verfolgte die Flugbahn eines stummen, flatternden Vogels.
    Er folgte dem Pfad durch den Wald und wanderte an einer Wiese entlang, bis er die Quelle erreichte.
    Neben der Quelle saß eine Frau. Er erkannte sie, Lucy Fisher, die taubstumme Tochter Hank Fishers, der unten im Flußtal wohnte.
    Er blieb stehen, beobachtete sie und bewunderte ihre Grazie, die natürliche Grazie und Schönheit eines primitiven und einsamen Wesens.
    Sie saß neben der Quelle, hatte eine Hand erhoben und hielt mit langen, empfindsamen Fingern etwas farbig Glühendes. Ihr Kopf war hochaufgerichtet, aufmerksam und prüfend.
    Enoch näherte sich langsam und blieb einen Meter hinter ihr stehen. Jetzt sah er, daß das Farbige auf ihren Fingerspitzen ein Schmetterling war, einer von jenen großen goldroten Schmetterlingen, die der Spätsommer bringt. Ein Flügel des Insekts stand aufrecht und gerade, aber der andere war verbogen und beschädigt, hatte etwas von dem Staub verloren, der die Farbe funkeln ließ.
    Sie hielt den Schmetterling nicht fest. Er saß auf der Spitze eines Fingers, ab und zu den gesunden Flügel bewegend, um das Gleichgewicht zu halten.
    Aber er hatte sich getäuscht, als er den zweiten Flügel für verletzt hielt; denn er richtete sich langsam auf, und der Staub lag wieder auf ihm, wenn er je überhaupt gefehlt hatte.
    Enoch ging um das Mädchen herum, damit es ihn sehen konnte, aber es zeigte keine Überraschung. Das war auch ganz natürlich, sagte er sich, denn es mußte daran gewöhnt sein - daß jemand hinter ihm auftauchte und plötzlich dastand.
    Die Augen der jungen Frau strahlten. Er überlegte, wie immer, wenn er sie sah, wie es sein mußte, in einer Welt der

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