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Raumstation Erde

Raumstation Erde

Titel: Raumstation Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clifford D. Simak
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Stille zu leben, ohne Verständigung mit anderen. Vielleicht nicht ganz ohne Kontakt, aber gehindert an jenem freien Strömen der Verständigung, dem Geburtsrecht des Menschen.
    Man hatte mehrmals versucht, sie in einer Taubstummenschule unterzubringen, wie er wußte, aber jeder Versuch endete mit einem Mißerfolg. Einmal war sie davongelaufen und tagelang umhergewandert, bis man sie schließlich fand und nach Hause brachte.
    Enoch glaubte den Grund zu kennen, als er sie mit dem Schmetterling sitzen sah. Sie hatte eine Welt, dachte er, eine eigene Welt, an die sie gewöhnt war und in der sie sich zurechtfand. In dieser Welt war sie kein Krüppel, wie in der normalen menschlichen Welt.
    Was nützte ihr Zeichenalphabet oder Lippenlesen, wenn sie in sich selbst Ruhe fand?
    Sie war ein Wesen der Wälder und Berge, der Frühlingsblumen und herbstlichen Vögel schwärme. Sie kannte dies alles, lebte damit und war, in seltsamer Weise, ein Teil davon. Sie besetzte einen Platz, den der Mensch längst aufgegeben hatte, wenn er ihm je zu eigen gewesen war.
    Und da saß sie, mit dem wilden Rot und Gold des Schmetterlings auf dem Finger, ein Strahlen auf dem Gesicht. Sie lebt, dachte Enoch, wie kein anderes Wesen lebt.
    Der Schmetterling breitete die Flügel aus und schwebte davon, unbesorgt, ohne Angst, hinaus über das wilde Gras und die Goldruten am Wiesenrand.
    Sie sah ihm nach, bis er hinter der Hügelkuppe verschwand, dann wandte sie sich Enoch zu. Sie lächelte und machte eine flatternde Bewegung mit den Händen, wie das Flattern der rotgoldenen Flügel, aber die Geste enthielt noch etwas anderes - ein Gefühl des Glücklichseins und den Ausdruck des Wohlbefindens, als wolle sie sagen, daß die Welt gut sei.
    Wenn ich ihr nur die Pasimologie meiner galaktischen Freunde beibringen könnte, dachte Enoch - dann könnten wir uns unterhalten, beinahe so gut wie mit Worten.
    Lucy Fisher nahm einen Becher aus Birkenrinde, der neben ihr stand, und tauchte ihn in die Quelle. Sie hielt ihn Enoch hin, und er kniete nieder, um zu trinken. Der Becher war nicht ganz dicht, und das Wasser lief über seinen Arm.
    Er trank den Becher leer und gab ihn zurück. Sie nahm ihn mit der einen Hand und streckte die andere aus, um mit sanften Fingern über seine Stirn zu streifen.
    Er sagte nichts. Schon vor langer Zeit hatte er es aufgegeben, mit ihr zu reden, weil er spürte, daß ihr die Bewegung seines Mundes unangenehm war, er brachte ja nur Laute zustande, die sie nicht hören konnte.
    Statt dessen streckte er die Hand aus und legte sie an ihre Wange, für einen Augenblick, als Geste der Zuneigung. Er erhob sich, starrte auf sie herab, und für eine Sekunde sahen sie einander in die Augen, dann ging er.
    Er durchquerte den kleinen Bach, der von der Quelle herabgluckerte, erreichte den Pfad und richtete seine Schritte zum Grat. Auf halbem Weg am Hang drehte er sich um. Sie sah ihm nach. Er hob die Hand, und sie erwiderte seinen Gruß.
    Es war zehn oder zwölf Jahre her, erinnerte er sich, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, ein kleines Mädchen von zehn Jahren, ein wildes Wesen im Wald. Sie waren erst nach langer Zeit Freunde geworden, obwohl er sie oft sah.
    Die Jahre über hatte er sie heranwachsen sehen, war ihr bei seinen täglichen Spaziergängen oft begegnet, und zwischen ihnen war ein gemeinsames Band des Verstehens entstanden, beide wußten, daß jeder seine eigene Welt hatte, die ihm Einblicke gestattete, wie sie anderen Menschen verborgen blieben.
    Er erreichte den Grat und wanderte die grasbewachsene Straße entlang, die zum Briefkasten hinunterführte.
    Und er hatte sich da oben nicht getäuscht, gleichgültig, wie es auf den zweiten Blick ausgesehen haben mochte. Der Schmetterlingsflügel war zerfetzt und zerknittert gewesen. Aber mit einem Male war er heil, und der Schmetterling flog davon.

8
     
     
    Winslowe Grant erschien pünktlich.
    Als Enoch den Briefkasten erreichte, sah er oben an der Straße die von Grants altem Auto hochgewirbelte Staubwolke. Ein trockenes Jahr, dachte er. Es hatte wenig Regen gegeben, und das Korn litt darunter. Obwohl es hier oben kaum noch bestellte Felder gab, um ehrlich zu sein. Früher hatten viele kleine Farmen existiert, beinahe Haus an Haus, die ganze Straße entlang, mit roten Scheunen und weißen Wohngebäuden. Aber die meisten Farmen waren aufgegeben, die Häuser und Scheunen leuchteten nicht mehr weiß oder rot, sondern waren grau, verwittert und halbverfallen.
    Winslowe mußte bald

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