Raus aus der Suchtfalle!
Co-Abhängigkeit vorliegt oder nicht. Die Suchterkrankung wirkt sich auf die Familie, die Beziehungen, das ganze Leben aus. Daher soll es in diesem Kapitel nicht nur darum gehen, wie die Angehörigen den Suchtkranken unterstützen können (siehe CRAFT-Modellprojekt, → S. 133 ) oder welche Verhaltensweisen eher kontraproduktiv (co-abhängig) sind, sondern auch darum, was die Angehörigen selbst brauchen, wie sie besser für sich sorgen können.
Co-abhängiges Verhalten erkennen und überwinden
Was Co-Abhängigkeit bedeutet und wie man testen kann, ob man sich so verhält, haben wir bereits auf → S. 45 – 48 geschildert. Co-abhängiges Verhalten hilft weder dem suchtkranken Menschen noch Ihnen selbst. Im Gegenteil: Es schwächt Sie und den Betroffenen. Schauen wir uns an, was Frau E. dazu meint, die die typischen Phasen der Co-Abhängigkeit erlebte und ihrem abhängigen Mann lange Jahre geholfen hat, die Erkrankung zu verheimlichen (siehe → S. 16 ).
»Ich habe häufig Schuldgefühle«
Ich habe sehr darunter gelitten, dass wir gar nicht mehr unter Leute gehen konnten. Von unserem Freundeskreis hatten wir uns total zurückgezogen, weil ja keiner merken sollte, dass mein Mann alkoholkrank ist. Eines Tages habe ich mich meiner besten Freundin anvertraut und sie hat mir sehr zugeredet, eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen. Leider konnte ich meinen Mann überhaupt nicht dazu bewegen mitzukommen. Beim Telefonat mit der Leiterin der Selbsthilfegruppe erfuhr ich aber, dass auch Angehörige willkommen sind – zur Not auch alleine. Dann ging ich eines Tages also da hin. Mir hat es sehr geholfen, endlich über alles zu sprechen. Auf einmal war ich nicht mehr allein. Die anderen haben ganz ähnliche Erfahrungen gemacht wie ich.
Nachdem ich einige Zeit in die Selbsthilfegruppe gegangen bin, habe ich mich dazu entschlossen, eine Psychotherapie zu machen. Mein Leben hat sich ja nur noch um die Sucht gedreht, ich habe immer für meinen Mann mitgedacht und alles so gedeichselt, dass keiner etwas merkt. In der Therapie ging es dann das erste Mal seit Langem tatsächlich um mich. Was will ich eigentlich? Im Grunde genommen wusste ich das gar nicht mehr. Es ist richtig ungewohnt, über meine Wünsche und Bedürfnisse nachzudenken. Es ist auch wirklich schwierig, etwas für mich zu tun, weil ich häufig Schuldgefühle habe. Eigentlich braucht doch vor allem mein Mann Hilfe, der trinkt doch immer noch. Trotzdem fühlt es sich auf der anderen Seite auch gut und richtig an, dass ich mich endlich wieder um mein eigenes Leben kümmere.
Im Prinzip treffen für die Co-Abhängigkeit viele Aspekte der Abhängigkeit zu – auch die Phasen der Veränderungsmotivation. Auch co-abhängige Menschen neigen am Anfang zur Leugnung des Problems, informieren sich über Veränderungs- undHilfemöglichkeiten, packen Veränderungen an, erleben Rückfälle und Versagen, sind äußerst erleichtert, wenn endlich Veränderungen erfolgen. Aus diesem Grund empfehlen wir auch co-abhängigen Menschen, sich mit den einzelnen Phasen der Veränderungsmotivation zu beschäftigen (siehe Kapitel »Die fünf Stufen zur Abstinenz«).
Bei Frau E. war die Psychotherapie äußerst hilfreich und vielleicht sogar notwendig, um wirksame Veränderungen herbeizuführen.
Grundsätzlich empfehlen wir Angehörigen und Nahestehenden von Suchtkranken, sich mit den folgenden Überlegungen zu beschäftigen.
Was hilft dem Abhängigen und was nicht?
Sie haben lange genug gelitten! Sprechen Sie über Ihre Situation und nehmen die Hilfe an, die man Ihnen in Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen bietet.
Wir haben bereits gesagt, dass die Partner, Angehörigen und sonstige nahestehende Menschen von abhängigkeitskranken Betroffenen nahezu immer unter den Folgen und Begleitumständen der Abhängigkeit leiden. Nicht selten entwickeln sich daraus eigene Erkrankungen und Beschwerden wie Depressionen, Schlafstörungen oder Schmerzen. Wie kommt das?
Typische – aber nicht hilfreiche – Einstellungen und Verhaltensweisen
Eine Suchterkrankung von Angehörigen begünstigt folgende Erscheinungen:
zu starke Verantwortungsübernahme;
gering ausgeprägte Bereitschaft zum Mitteilen und Hilfesuchen;
die Erwartung, helfen zu können;
fortwährende Erfahrung des Scheiterns;
die Erfahrung des Scheiterns führt zu Gefühlen der Ohnmacht, aber auch der Wut und Schuldzuschreibung an die betroffene Person.
Schauen Sie mal, ob und welche dieser Aussagen auch auf Ihre Situation zutreffen
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