Raus aus der Suchtfalle
uns also Lust darauf macht. Lust und Genuss gehen meist mit der Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin einher. Aus diesem Grund wird das Dopamin auch als »Glückshormon« bezeichnet. Allerdings zeigt die neuere Forschung, dass auch diese Zusammenhänge noch viel komplizierter sind, und auch die Lust nicht durch einen einzigen Neurotransmitter vermittelt wird, sondern vielfältige Reaktionen zusammenwirken.
Die meisten Suchtmittel haben eine Wirkung auf das Belohnungssystem und die Freisetzung des Neurotransmitters Dopamin und andere wichtige Neurotransmitter. So führt zum Beispiel Nikotin direkt zu einer erhöhten Ausschüttung von Dopamin und aktiviert dadurch direkt das Belohnungssystem. Auch Alkohol führt indirekt dazu, dass mehr Dopamin wirksam wird. Das heißt, unser Gehirn belohnt uns dafür, wenn wir Alkohol trinken.
Da sowohl Alkohol als auch Beruhigungsmittel wie die Benzodiazepine (z. B. Diazepam) auf das Belohnungssystem wirken, besteht die Gefahr, vom Alkohol auf beruhigende Medikamente umzusteigen oder mit Alkohol die Medikamentenwirkung zu intensivieren.
Was passiert bei der Gewöhnung an das Suchtmittel?
Je häufiger Suchtmittel konsumiert werden, umso mehr »gewöhnen« sich die Synapsen an diese Suchtmittel, sodass sie selbst immer weniger Neurotransmitter produzieren und immer unempfindlicher gegenüber den körpereigenen Neurotransmittern werden. Dies ist ein Aspekt der Gewöhnung und Toleranzentwicklung – allerdings gibt es noch weitere Aspekte. Man kann also sagen: Der Körper passt sich an die höhere Neurotransmittermenge an, indem er selbst weniger produziert und die Rezeptoren unempfindlicher werden. Wird dann das Suchtmittel reduziert oder weggelassen, sind im Körper weniger Neurotransmitter wirksam als im Normalfall. Darauf beruhen im Wesentlichen die Symptome der Entzugserscheinungen und auch des Suchtdrucks (siehe → S. 64 ).
Wie kommt das »Alles-egal-Gefühl« zustande?
Viele Beruhigungsmittel und Alkohol verstärken die hemmende und damit beruhigende Wirkung des Neurotransmitters GABA. Das natürliche Gleichgewicht des Organismus zwischen Erregung und Hemmung wird in Richtung Beruhigung verschoben. Man regt sich nicht mehr so über Dinge auf, die einen sonst berührt hätten. Es entwickelt sich ein gewisses »Wurschtigkeitsgefühl«. Man nimmt Schmerzen, Trauer, Angst, Wut oder Enttäuschung nicht mehr so intensiv wahr; negative Empfindungen lassen sich in diesem gedämpften Zustand besser aushalten. An diesen Zustand gewöhnt sich der Mensch relativ rasch und neigt dazu, diesen durch entsprechende Substanzen aufrechtzuerhalten. Beruhigungsmittel wie die Benzodiazepine wirken angstlösend, beruhigend, schlafanstoßend, muskelentspannend, krampf- und schmerzlösend.
Konsumiert man Alkohol oder die Benzodiazepine regelmäßig, gewöhnt sich das limbische System an diese Situation. Es passt seinenatürlichen Funktionen an diese Bedingungen an, verlässt sich gewissermaßen auf die äußere Unterstützung. Da die Suchtmittel die Wirkung von GABA verstärken, produziert das Gehirn selbst nur noch weniger von diesem hemmenden Neurotransmitter und mehr erregende Neurotransmitter.
Wie entstehen Entzugskrampfanfall und Delir?
Aus der Verschiebung des Gleichgewichts zwischen Erregung und Hemmung im Zentralnervensystem erklärt sich die dramatischste und möglicherweise tödliche Nebenwirkung von Alkohol und Medikamenten: der Entzugskrampfanfall und das Delirium tremens (Alkoholentzugsdelir).
Konsumiert jemand nach langer Gewöhnung plötzlich erheblich weniger oder nichts mehr, fehlt die Hemmung des Nervensystems, an das es sich gewöhnt hat. Aktivierende Systeme im Zentralnervensystem gewinnen die Überhand. Es kommt zu einer unkontrollierten Überaktivierung. Diese Überaktivierung wird als Zittern, Schweißausbruch, Angst, Unruhe, Herzrasen bemerkt, die klassischen Entzugssymptome. Die extremste Form zentralnervöser Überaktivierung sind Entzugskrampfanfälle sowie das Delirium tremens.
Wegen dieser Komplikation nach Absetzen von Alkohol oder Benzodiazepinen sollen Betroffene keinesfalls ihren gewohnten Konsum einfach schlagartig beenden, sondern Hilfe in Anspruch nehmen, um ärztlich angeleitet und durch Medikamente begleitet einen körperlichen Entzug (früher oft als Entgiftung bezeichnet) durchzuführen.
Wenn der Blutspiegel des Suchtmittels sinkt, entstehen Entzugssymptome
Die Entzugssymptome veranlassen Betroffene häufig zum erneuten Konsum. So erleben
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