Raven - Schattenreiter (6 Romane)
überflüssigerweise. »Gibt die Kiste nicht mehr her?«
Raven nickte verbissen. »Doch. Aber wir sind hier in London, nicht auf einer Rennstrecke. Schneller kann ich nicht fahren. Aber wir schütteln ihn schon ab. Keine Sorge. Sind Sie angeschnallt?«
Wilburn sah auf, erbleichte und griff hastig nach dem Sicherheitsgurt.
»Okay«, knurrte Raven. »Halten Sie sich fest! Ich versuche den Burschen abzuschütteln.« Er trat plötzlich auf die Bremse, riss das Lenkrad herum und beschleunigte wieder, als der Wagen seitlich ausbrach.
Der Maserati schleuderte, drehte sich wie ein Kreisel auf der Stelle und rutschte mit qualmenden Reifen über den Asphalt. Wilburn schrie verängstigt auf, als sich der Wagen ein paarmal drehte und dann mit einem wahren Pantersatz auf den verfolgenden Wagen zusprang.
Raven riss das Lenkrad im letzten Moment herum, trat das Gaspedal bis zum Boden durch und ließ den Maserati an dem anderen Wagen vorbeischießen. Wilburn ächzte entsetzt und schien sich in den Polstern des Beifahrersitzes verkriechen zu wollen.
Raven trat hart auf die Bremse, riss den Wagen nahezu auf zwei Rädern um die Kurve und beschleunigte wieder. Der Maserati schleuderte, hüpfte auf den Bürgersteig hinauf und raste mit unverminderter Geschwindigkeit durch einen Haufen leerer Mülltonnen und Pappkartons.
Raven fluchte, brachte den Wagen auf die Straße zurück und schaltete mit einer hastigen Bewegung die Lichter aus, während der Wagen bereits um die nächste Kurve schleuderte. Er bremste abermals, ließ den Wagen in einem gewagten Powerslide um die nächste Straßenbiegung schießen und trat dann so hart auf die Bremse, dass Wilburn wuchtig in die Sicherheitsgurte gedrückt wurde. Der Wagen kam mit kreischenden Reifen am Straßenrand zu stehen.
Der Motorenlärm verstummte, als Raven den Zündschlüssel herumdrehte. Gleichzeitig löste er den Verschluss seines Sicherheitsgurtes und ließ sich halbwegs unter das Lenkrad fallen.
»Runter!«, zischte er. »Schnell!«
Wilburn begriff endlich, was Raven vorhatte. Mit bebenden Händen löste er seinen Gurt, ließ sich zur Seite fallen und rammte Raven dabei beinahe die Knie ins Gesicht.
»Keinen Laut!«, warnte Raven. »Und vor allem keine Bewegung!«
Sie brauchten nicht lange zu warten.
Hinter ihnen klang das zornige Dröhnen eines überdrehten Motors auf, näherte sich rasch, und dann tastete der weiße Lichtfinger eines voll aufgeblendeten Scheinwerferpaares über die Straße.
Raven wartete mit angehaltenem Atem. Das Motorengeräusch kam näher, schwoll zu einem gewaltigen Brüllen an und - war vorbei. Raven zählte in Gedanken bis zehn, während er jede Sekunde darauf wartete, das Kreischen von Bremsen zu hören. Aber der Wagen jagte weiter.
»Ich glaube, es hat geklappt«, sagte er nach einer Weile. »Sie können Ihre Knie aus meinem Gebiss nehmen, Wilburn. Die Burschen sind wir vorerst los.«
Wilburn kroch ächzend auf seinen Sitz zurück, hielt sich mit der Hand an der Sonnenblende fest und riss sie halbwegs aus ihrer Verankerung, als er sich daran hochzog. »Oh«, murmelte er verlegen. »Es - es tut mir leid.«
»Das macht nichts«, log Raven. »Ich wollte mir sowieso bald einen neuen Wagen zulegen. Die Kiste ist ein bisschen langsam, wissen Sie?«
Er setzte sich auf, ließ den Motor an und wendete den Wagen. Sein Blick irrte immer wieder ängstlich zum Rückspiegel. Aber die Straße hinter ihnen blieb leer.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Wilburn, nachdem sie auf die Hauptstraße zurückgefahren waren und sich weiter nach Süden bewegten.
»Wir fahren zu Biggs, wie geplant.«
»Trotz der Burschen?«
»Warum nicht? Die holen uns nicht mehr ein. Und wenn doch, hänge ich sie halt wieder ab«, fügte Raven optimistisch hinzu.
Wilburn überging die letzte Bemerkung mit einem Stirnrunzeln. »Ich meine«, sagte er unsicher, »werden sie nicht auf uns warten?«
»Kaum.« Raven schüttelte den Kopf. »Wenn sie gewusst hätten, wohin wir wollen, hätten sie uns kaum zu verfolgen brauchen, oder? Und wenn doch - sollten wir nach dem Privatrennen gerade noch nicht die halbe Londoner Polizei auf dem Hals haben, wird Card sicher auf uns warten. Ich habe ihm ausrichten lassen, dass es um Sie geht.«
Er seufzte, seine Finger zitterten, und er spürte erst jetzt, wie viel Nervenkraft ihn die halsbrecherische Verfolgungsjagd gekostet hatte. Er hatte sich immer eingebildet, ein guter Autofahrer zu sein, aber wer immer hinter dem Steuer des anderen Wagens
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